Stahls Stuhl ist nicht mehr eisenhart

Kritik am Generalbundesanwalt auch aus der FDP / Der FDP-Abgeordnete Jörg van Essen wird bereits als Nachfolger gehandelt / Die Justizministerin stützt von Stahl  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

Der Stuhl von Generalbundesanwalt Alexander von Stahl (FDP) beginnt zu wackeln. Scharfe Kritik an dem Verhalten des Bundesanwalts kam gestern erstmals auch aus der eigenen Partei. Von Stahls Informationspolitik über die Vorgänge in Bad Kleinen sei am Anfang „schlicht unerträglich“ gewesen, sagte der FDP-Abgeordnete und Innenexperte Wolfgang Lüder. Er erinnerte daran, daß von Stahl Aussagen gemacht hatte, die er kurz darauf wieder zurücknehmen mußte, etwa die Behauptung, die festgenommene mutmaßliche RAF-Angehörige Birgit Hogefeld habe Schüsse abgegeben.

Dabei sei nicht der Eindruck entstanden, als sei der Generalbundesanwalt der Herr des Verfahrens. Vielmehr, so Lüder, „entstand der Eindruck eines herrenlosen Verfahrens“. Auf die Frage nach möglichen personellen Konsequenzen für von Stahl sagte der FDP-Abgeordnete zur taz: „Das auszuschließen wäre leichtsinnig.“ Zunächst sollten jedoch die Ermittlungen der Staatanwaltschaft in Schwerin abgewartet werden.

Hinter den Kulissen wurden in Bonn gestern bereits die Namen möglicher Nachfolger für den umstrittenen Bundesanwalt gehandelt. Im Gespräch ist unter anderem der FDP-Abgeordnete und Rechtspolitiker Jörg van Essen. Van Essen, der dem rechten Flügel seiner Partei zugerechnet wird, war bis zu seinem Einzug in den Bundestag im Jahr 1990 Oberstaatsanwalt im westfälischen Hamm. Er könnte daher die Erfahrungen eines „Praktikers“ vorweisen, hieß es.

Als eher unwahrscheinlich wurde es dagegen in Bonn bezeichnet, daß der Rostocker Oberstaatsanwalt Alexander Prechtel von Stahls Nachfolger werden könnte. Prechtel war unter dem seinerzeitigen Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) als Sprecher des Generalbundesanwalts entlassen worden, nachdem er Distanz zu der Versöhnungsinitiative gegenüber der RAF gezeigt hatte.

Die SPD hatte in den letzten Tagen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mehrfach aufgefordert, von Stahl abzuberufen. Leutheusser bleibt bisher jedoch bei ihrer Haltung, so ein Sprecher, daß es „nach derzeitigem Kenntnisstand keinen Anlaß zu personellen Konsequenzen“ gebe. Das FDP-Präsidium hatte sich am Montag ausdrücklich hinter von Stahl gestellt. Wie Präsidiumsmitglieder gestern sagten, habe Leutheusser in der Sitzung aber ausdrücklich davor gewarnt, von Stahl ohne Einschränkung zu stützen.

In der FDP wird jedoch auch darauf hingewiesen, daß es der heutige Parteichef Klaus Kinkel gewesen sei, der in seiner Zeit im Justizministerium von Stahl in das Amt des Generalbundesanwalts geholt habe. Daneben profitiere der Generalbundesanwalt von der Unterstützung durch Wirtschaftsminister Günther Rexrodt. Rexrodt und von Stahl kennen sich aus der Berliner FDP, wo beide dem rechten Flügel angehörten.

CDU und CSU hielten sich gestern in Bonn mit Kritik zurück. Noch am Sonntag hatte der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Johannes Gerster, den Generalbundesanwalt scharf attackiert. Wenn er „sein Verhalten nicht grundlegend ändert, kann er sich bald einen neuen Job suchen“, erklärte Gerster. Gestern sagte der CDU-Innenexperte Erwin Marschewski zur taz, er wolle die für Montag angesetzte gemeinsame Sitzung von Innen- und Rechtsausschuß abwarten und sich bis dahin „zurückhalten“. Ähnlich äußerte sich der CSU-Innenpolitiker Wolfgang Zeitlmann.

Kritik an von Stahl kam jedoch von Hinterbänklern. Der CDU-Innenpolitiker Heribert Blens wurde von der Westfälischen Rundschau mit den Sätzen zitiert: „Lassen Sie es mich mit einem Beispiel aus dem Alltagsleben verdeutlichen. Ein Autofahrer ist Herr seines Wagens. Wenn er sich hinters Steuer setzt, den Lenker aber nicht berührt und dabei vor den Baum fährt, kann er später nicht zurückziehen und sagen: Ich habe ja gar nicht gelenkt.“