Alles Lüge

■ Dokumentarfilm über den Medienkritiker Noam Chomsky

Als der „bedeutendste lebende Intellektuelle, gemessen an seinem Einfluß sowie der Bandbreite und Originalität seines Denkens“ wurde der amerikanische Linguist, Medien- und Regierungskritiker Noam Chomsky von der New York Times Book Review gefeiert. Der Hochgelobte hat ein anderes Bild von sich und beklagt: „Niemand zitert den darauffolgenden Satz: ,Warum schreibt er trotzdem so schreckliche Sachen über die US-Außenpolitik?'“

Immer ein Stachel im Fleisch der Mächtigen zu bleiben, ist eine seiner Devisen, dazu paßt es natürlich nicht, von seinen Feinden gelobt zu werden. Eine Dokumentation über den Unbequemen ist ab heute im Zeise-Kino zu sehen:Manufacturing Consent — Noam Chomskyand the Media.

Vier Jahre haben Mark Achbar und Peter Wintonick Chomsky quer durch die Welt verfolgt, waren dabei mehrmals am Rande des finanziellen Ruins; herausgekommen ist ein wenig kritisches Portrait, in dem Chomsky einmal ausführlicher als „zwischen zwei Werbespots“ als aufrichtiger Widerstandskämpfer und brillanter Redner überzeugen darf.

Chomsky leitete Ende der 50er Jahre in der Sprachforschung die nach ihm benannte „Chomskyanische Revolution“ mit der These ein, Sprache sei vererbbar. Dies wird ebenso dokumentiert wie sein in den 60er Jahren zunehmendes öffentliches Engagement gegen den Vietnamkrieg und andere militärische Einsätze der USA im Nahen und Fernen Osten. Der Schwerpunkt des Filmes allerdings liegt auf Chomskys Medienkritik, und gerade hier hat er seine Schwächen.

Von großen Videoleinwänden herab lehrt Chomsky, die einzige Funktion der US-Medienkonglomerate sei es, die Massen zu kontrollieren und öffentliche Unterstützung für Regierungspolitik zu mobilisieren. Zu viel Werbung verdumme die Leute und mache sie vor dem Fernseher zu hilflosen Einzelkämpfern gegenüber den repressiven Institutionen — diese Thesen sind nicht neu.

Der Film geht über solche bekannten Allgemeinplätze kaum hinaus, mit Ausnahme von Chomskys Anprangerung des Völkermordes in Ost-Timor. Dabei ist es durchaus Chomskys Stärke, und das unterscheidet ihn zum Beispiel vom populistischen Ansatz Neil Postmans, sehr genau zu arbeiten und seine Thesen wissenschaftlich exakt zu untermauern.

Schon 1969, als man glaubte, die ausführliche Berichterstattung über den Vietnamkrieg dokumentiere die intakte amerikanische Demokratie, wies erdetailliert die Begrenztheit der Berichterstattung nach. Er lieferte die wahrscheinlich umfangreichste Bibliografie zum Indochina-Konflikt und war außerdem einer der exponiertesten US-Kritiker des Golfkrieges. Daß sich seine Medienkritik in seinem Buch „Manufacturing Consent“ auf eine Untersuchung über einen Zeitraum von 25 Jahren bezieht, wird im Film nicht erwähnt.

Der Film zeigt einen fleißigen Utopisten, der Skandale und Versäumnisse von US-Regierung und Medien anprangert. Daß seine Arbeit dabei ernstzunehmend und genau ist und in der Medienkritik nicht nur Altbekanntes widerkäut, wird leider verschwiegen. Auch ein Dokumentarfilm kann ungewollt Zensur üben.

Birgit Maaß

Zeise Kino 3, täglich 22 Uhr