Lücken in der Nachsorge aufgedeckt

■ UKE-Strahlenskandal: Radiologen erfahren nichts von den Folgeproblemen der Patienten / Behördengutachter wirft das Handtuch    Von Sannah Koch

Der UKE-Skandal, eine Serie ärztlicher Behandlungsfehler mit teilweise tödlichem Ausgang, die sich auch heute noch jederzeit wiederholen könnte? Ein Bekenntnis des Ärztlichen Direktors des UKE Professor Heinz-Peter Leichtweiß legt diesen schwerwiegenden Verdacht nahe. Der UKE-Direktor bestätigte am Dienstag abend in einer Sondersitzung des Wissenschaftsauschusses der Bürgerschaft, daß es auch heute noch „deutliche Lücken“ in der Nachsorge von PatientInnen gibt, die sich im UKE einer Strahlentheraphie unterziehen müssen.

Unkontrollierbare entzündliche Veränderungen, Verbrennungen, Organschrumpfungen: Dies sind nur einige der Spätfolgen, unter denen mindestens 50 PatientInnen leiden, die sich in den Jahren 1987 bis 1990 im UKE einer Bestrahlung aufgrund von Darmkrebs unterziehen mußten. Heute scheint klar: Der behandelnde Radiologe hatte die Strahlendosis offenbar zu hoch dosiert, hatte wohl eine neue Behandlungsmethode getestet. Daß sie keiner gesicherten Standardtherapie unterzogen wurden, wußten die PatientInnen damals nicht.

Der behandelnde Arzt hingegen schien nicht gewußt zu haben, mit welchen Nebenwirkungen seine PatientInnen sich quälten. Stutzig wurde man 1990 im UKE erst, als die StrahlenpatientInnen ausblieben. Die umliegenden Krankenhäuser wußten offenbar von den Problemen in der Radiologischen Abteilung und stoppten die Zuweisungen ins UKE.

Nach Ansicht des GAL-Abgeordneten Peter Zamory, der selber Arzt ist, liegt hier ein Knackpunkt: „Heute gibt es immer noch keine Organisationsstruktur, die regelt, daß der Radiologe von dem behandelnden Hausarzt über mögliche Folgeprobleme informiert wird.“ Und das, so Zamory, bei einer Behandlungsform, bei der eine sorgfältige Dokumentation der Nebenwirkungen unumgänglich ist.

Wie auch der Patientenanwalt Wilhelm Funke fordert Zamory deshalb eine verstärkte Qualitätskontrolle. Außerdem müsse gewährleistet werden, daß die Opfer der Fehlbehandlungen jetzt von der Behörde einen Gutachter ihrer Wahl gestellt und bezahlt bekommen. Senator Hajen hat dieser Forderung bereits entsprochen. Die GAL erwägt trotzdem,einen Untersuchungsausschuß zu erfordern.

Eines seiner beiden behördlich bestellten Gutachter ist Hajen bereits verlustig gegangen. Professor Herrmann Frommhold, der die Behandlungsmethoden der Strahlentherapie im UKE zwischen 1987 und 1990 beurteilen soll, hat gestern seine Bereitschaft zur gutachterlichen Stellungnahme zurückgezogen. Gegen ihn war der Vorwurf der Befangenheit erhoben worden, weil er der Bruder des früheren Chefs des Direktors der UKE-Strahlentherapie ist.

Auf einer zum Bersten vollen Veranstaltung der Patienten-Initiative gestern abend im AOK-Zentrum in Wandsbek wurden weitere schwere Vorwürfe erhoben. Mehrere Geschädigte berichteten von unzureichender Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen einer Strahlentherapie-Behandlung im UKE. „Mir wurde gesagt, ein bißchen Durchfall könne vorkommen, sonst nichts“, berichtete eine Patientin, die erhebliche Darmverbrennungen erlitten hat.

Die Patienteninitiative, die vor zehn Jahren aus dem Bernbeck-Skandal hervorging, fordert vom Senat die Einrichtung eines Rechtshilfe-Fonds für Medizinschäden. Opfer der Fehlbehandlung sollten sich bei der Initiative melden, die auch Adressen von fachlich bewährten Anwälten bereithält. Zudem sollten Betroffene ihr Recht wahrnehmen, kostenlose Einsicht in ihre vollständigen Krankenakten zu erhalten. Eine Kopie der Akte kann gegen Erstattung der Kopiekosten ebenfalls nicht verweigert werden.

Beratung bei der Patienteninitiative: Heidberg 42, 22301 HH, Tel: 279 64 65