: Lüthge haut Lahl den Gelben Sack um die Ohren
■ Staatsräte-Knatsch um die Müllpolitik / Lahl: „Sonthofen-Strategie“ / Lüthge: Verbraucher bezahlen doppelt
Familienkrach auf dem Ökoflügel der Ampelkoalition: Nachdem der Umweltstaatsrat Uwe Lahl gemeinsam mit den Bremer Entsorgungsbetrieben (BEB) die weitere Verbreitung des Gelben Sacks gestoppt hat, schäumt es ein paar Türen weiter. Dort sitzt Baustaatsrat Jürgen Lüthge, Vorgänger Lahls im Umweltressort. Müllexperte Lüthge hat dem Müllexperten Lahl jetzt einen Brief geschrieben, in dem er schweres Geschütz gegen die Politik des Ressorts auffährt. Statt mit den anderen Bundesländer gegen das Dualen System Deutschland zu ziehen, mache sich Bremen zum Lückenbüßer für das DSD. Uwe Lahl, schwer gekränkt vom harschen Vorstoß des Nachbarressorts, weist alle Argumente vehement zurück. Er könne es nicht verantworten, wenn in Bremen Berge von Plastikmüll lagerten, mit denen niemand etwas anzufangen weiß.
Hinter dem Getöse verbirgt sich der Streit zweier politischer Strategien. Lüthge will die Schwierigkeiten des DSD mit dem Plastikmüll dazu nutzen, gemeinsam mit den anderen Ländern die Chemieindustrie und den Handel zu zwingen, Plastikverpackungen zu reduzieren, die Plastiksorten zu vereinheitlichen und mehr Recyclingkapazitäten aufzubauen. Das allerdings würde bedeuten, daß das DSD vorerst bis zur Halskrause in Plastikmüll sitzt. „Das ist eine Sonthofen-Strategie“, hält Umweltstaatsrat Lahl dagegen. Die Plastiklager seien gefährlich und er wolle keiner BürgerIn erklären müssen, warum ihre Joghurtbecher nicht recycelt würden.
Wenn das Umnweltressort der Meinung sei, das DSD sei nicht in der Lage, Plastik zu recyceln, dann müßte der Handel wieder rücknahmepflichtig gemacht werden, meint Lüthge. Damit sei der Gelbe Sack aber tot. Wenn allerdings Lahl das DSD für fähig hält, das Problem zu lösen, dann gebe es keinen Grund, bei der Verbreitung des Sacks eine Auszeit zu nehmen. Daß aber die BEB mit der Rückendeckung des Umweltsenators auf die Vertragswidrigkeit von DSD seinerseits vertragswidrig reagiere, das sei schlicht widersinnig.
Mit dem Verbreitungsstopp, so Lüthge, verzichte Bremen auf die Getrenntsammlung völlig unproblematischer Stoffe, wie Aluminium und Blech, und die BremerInnen müßten für den Plastikmüll zweimal bezahlen: Über den Grünen Punkt und über die Müllgebühren. Das Plastik lande weiterhin in der normalen Mülltonne und gehe dann in die Verbrennung, für die jede GebührenzahlerIn aufkomme. Das alles, obwohl dafür das DSD zuständig sei. Dieses Verfahren gehe zu Lasten der Kommune.
„Eine Sonderkonferenz der Umweltminister ist mehr wert als künstlich geschaffene Plastikberge. Wir nehmen den politischen Druck nicht weg“, hält Lahl dagegen. „Das DSD wird diese Berge nicht wegschaffen.“ Die Kapazitäten seien frühestens in zwei Jahren da. Und das nur, wenn man das Plastik in seine Rohstoffe zerlegen könne. Das sei sehr zweifelhaft.
Ein Druckmittel hätte Bremen aber noch, so Lahl: Das Umweltressort drohe ja damit, die Freistellungserklärung für den Handel aufzukündigen. Im Klartext: Dann müßte der Verpackungsmüll in den Läden zurückgenommen werden. Lahl: „Da eröffnet sich ein ganz neues Feld für politische Aktivitäten.“ Jochen Grabler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen