Die Ruine soll Ruine bleiben

■ Fort Hahneberg vor Spandau war im Schatten der Mauer 28 Jahre lang unzugänglich / Kulturamt will die wildromantische Atmosphäre nicht verändern

Fast 30 Jahre lang lag das Fort Hahneberg vor Spandau im Dornröschenschlaf. Auf der östlichen Seite des Mauerstreifens gelegen, war das Befestigungswerk nur für DDR-Grenzer zugänglich. „Wir wußten nicht einmal, ob die Befestigung aus dem letzten Jahrhundert überhaupt noch existiert“, berichtet Gerd Steinmöller, Leiter des Spandauer Kulturamtes. 1945 wurden Sprengungen gehört. Brandenburg gab die Feste wenig später als Steinbruch für neue Bauernhäuser frei. Seit dem 13. August 1961 hatte niemand mehr Zutritt zu dem Wehrbau. Kurz nach der Wende 1989 aber brachten abenteuerlustige Jugendliche die Nachricht: „Das Fort steht noch. Es ist nur völlig überwachsen.“ Damit war ein historisches Denkmal wiedergefunden – „in seinem Zustand einmalig in Deutschland“, wie Steinmüller sagt.

Im März 1990 besichtigte er die alte Anlage. Die mit gelben Ziegeln verkleideten Wände des Wallgrabens waren teilweise abgerutscht, aber erhalten. Die Kaserne mit Mannschaftsräumen stand, wenn auch jeder Einrichtung beraubt. Einer der vier Bunker, aus denen die Angreifer im Wallgraben beschossen werden sollten, zeigte innen feinste Klinkergewölbe mit Verzierung in Preußischblau. Guterhaltene Wendeltreppen führen in die Kasematten. Teilweise verschüttete Verbindungsgänge durchziehen das Fort.

Um unerwünschte Andenkenjäger abzuwehren, ließ das Spandauer Kulturamt 1.600 Meter stacheldrahtbewehrten ehemaligen DDR-Grenzzauns um das 470 mal 175 Meter große Fort ziehen. Eine Arbeitsgemeinschaft, zu der auch der ehemalige Festungskoch, ein Ausbilder und der Sohn des letzten Fort-Hausmeisters Wilhem Brühe gehören, tat sich zusammen, um sich für die Erhaltung des Denkmals einzusetzen und zu arbeiten.

Auslöser des Baus der Befestigung vor über 100 Jahren war die Beobachtung eines österreichischen Spions. Er rekognoszierte 1863, daß die preußische Festung Spandau von umliegenden Anhöhen beschossen werden könnte. Die Preußen bekamen davon Wind und beschlossen, einen Ring von sechs Außenwerken um Spandau zu legen. Auf dem Hahneberg sollte das erste stehen.

Bei Fertigstellung schon überholt

Die Ruhe nach dem Deutsch- Französischen Krieg 1870/71 und Geldmangel verzögerten den Baubeginn. Erst 1882 machte man sich an die Arbeit. Bereits vier Jahre später waren Bunker und Kaserne einschließlich der Ziegelverblendung, der Niederwall für Infanterie und der Hauptwall für die Geschütze der Artillerie fertig. Aber da war das Fort militärtechnisch schon überholt.

Statt einer vorgeschobenen Trutzburg wurde Fort Hahneberg zum Exerzierfeld. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es völlig stillgelegt. Nur Brühe hielt mit Familie den Stützpunkt in Ordnung. In den zwanziger Jahren zogen junge Segelflieger in die geräumigen Unterkünfte. Aber ein Jahr vor der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 durch die Nazis wurde ihnen gekündigt. Das Militär kehrte zurück.

Doch immer noch blieb die starke Feste nur Ausbildungskaserne. Als die Rote Armee auf Berlin vorrückte, schien der Ernstfall für das Fort bevorzustehen. „Bis an die Zähne bewaffnet wartete die Besatzung auf den Feind, aber die Russen zogen einfach vorbei“, schildert Steinmöller die entscheidende Phase. Das Fort wurde widerstandslos übergeben und schließlich von der Natur erobert.

Steinmöller will die wildromantische Atmosphäre der überwucherten Gemäuer für Besucher erhalten. „Die Ruine soll Ruine bleiben. Die Natur soll erhalten bleiben“, meint er. Jugendliche legen derweil freiwillig Gänge in das Innere der Forts und durch den Wallgraben frei und räumen die Trümmer eingestürzter Wände in den Mannschaftsräumen. Sie stießen dabei auf Pferdetränken, fanden Frauenschmuck, medizinische Instrumente und Aufzeichnungen sowie das „Tafelsilber“ des Forts Hahneberg mit dem Stempel „HB“. Lars Friebel/dpa