■ Der Weltwirtschaftsgipfel spart die Knackpunkte aus: Viel Show, wenig Substanz
Der Erfolg des diesjährigen Weltwirtschaftsgipfels besteht gerade in seiner Substanzlosigkeit. Schließlich lebt das Ereignis von seiner Inszenierung als gigantische Medienshow. Und da bekam das Publikum von Fernsehen, Radio und Zeitungen die wirkungsvollste Beruhigungspille seit Jahren verabreicht: Auf der Bühne agierten Regierungschefs, die vor allem ihre Sorge über die Probleme der Weltwirtschaft effektvoll demonstrierten. Wir wissen, so die Botschaft, wo die Schwierigkeiten liegen und arbeiten hart an ihrer Lösung; sei es das blockierte Welthandelsabkommen Gatt, die Arbeitslosigkeit, die Rezession oder gar die Probleme der Dritten Welt mit dem Umweltschutz.
Die Tagesordnung für diese Inszenierung garantiert, daß die genannten Probleme nicht innerhalb von drei Tagen von sechs Männern und einer Frau gelöst werden können, selbst wenn diese den sieben mächtigsten Regierungen der Welt vorstehen. Der gestern von den Akteuren gefeierte „Durchbruch“ für die Welthandelsgespräche in Genf unterstrich in diesem Rahmen nur, daß die G 7 sich wirklich und ehrlich Mühe geben: Sie lassen ihre Minister 17 Stunden Nonstop tagen, um stolz die „größte Zollsenkung in der Geschichte“ präsentieren zu können. Dabei haben sie in Wirklichkeit die großen Knackpunkte, Agrarwirtschaft und Dienstleistungen, gekonnt vom Verhandlungstisch geräumt. In diesen Bereichen werden die handfesten gegensätzlichen Interessen der G 7 auch weiter den angestrebten „erfolgreichen Abschluß der Uruguay-Runde in diesem Jahr“ blockieren.
Der einlullenden Wirkung der Gipfelsprache sind inzwischen sogar Dritte-Welt-Vertreter und Umweltgruppen verfallen. Sie fordern ihre stärkere Einbindung in die Gipfelprozeduren und freuen sich schon darüber, daß ihre Anliegen regelmäßig in den G-7-Statements Platz finden. Jedoch: Gerade die Tatsache, daß die G 7 permanent versprechen, den „Diskussionsprozeß“ mit den Entwicklungsländern weiter zu verfolgen und den „Rio-Prozeß“ fortzusetzen, ist die beste Garantie dafür, daß letztlich nichts passieren wird. Während die Umweltgruppen noch glauben, daß Rio der Anfang für ernsthafte Gespräche über globalen Umweltschutz war, haben die Mächtigen dieser Welt das Thema längst als Statement verpackt und in den hintersten Schubladen ihrer diversen Arbeitsgruppen verstaut. Die sichersten Auftritte in dieser Show liefern in diesem Jahr die Deutschen. Die Kürzungen der Sozialetats in der vergangenen Woche und die Zinssenkung der Bundesbank verkauften sie in Tokio als ernsthaftes Bemühen um Problemlösung. Die internationale Zustimmung für weitere Kürzungen und Flexibilisierungen am Arbeitsmarkt ist bereits eingeholt. Und wer schließlich würde Kohl nicht zustimmen, daß man etwas gegen die Gefahr der Ost- Akws tun müsse, die Industrieländer in der Verantwortung für die Entwicklungsländer stehen und Rußland unsere Hilfe verdient? An den Hindernissen, die vor der Tat stehen, wird gearbeitet. Sie dürfen also alle beruhigt weiterschlafen. Gute Nacht. Donata Riedel, z.Z. Tokio
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