Soldaten sorgen für blutige „Ruhe“ in Nigeria

■ Militär schlägt Proteste gegen Babangida nieder / Demonstranten erschossen

Abuja/Lagos (dpa/AFP/taz) Das nigerianische Militär hat am Dienstag abend hart durchgegriffen, um die anhaltenden Proteste in der Millionenstadt gegen das Militärregime zu beenden. Nachdem die Regierung den Gouverneur des Bundesstaates, Michael Otedola, ultimativ aufgefordert hatte, binnen 24 Stunden in seiner Stadt für Ordnung zu sorgen, eröffneten Soldaten im relativ wohlhabenden Stadtteil Ikoyi in Lagos das Feuer. Mindestens 12 Menschen wurden getötet. Die Panafrikanische Nachrichtenagentur (PANA) berichtete, Soldaten hätten Leichen eingesammelt und auf Lastwagen weggefahren.

Gestern erlebte Lagos seinen ersten relativ ruhigen Tag nach zwei Tagen Demonstrationen. Sicherheitskräfte bargen an einigen Stellen die verkohlten Überreste von Leichen und räumten Barrikaden sowie ausgebrannte Autos von den Straßen. Allerdings blieben die meisten Geschäfte, Banken, Tankstellen und Hochschuleinrichtungen geschlossen, viele Menschen blieben aus Sicherheitsgründen zu Hause. Der Führer der „Kampagne für Demokratie“ (CD), Beko Ransome-Kuti, der die Protestwoche gegen das Militärregime ausgerufen hatte, wurde gestern zum vierten Mal seit Freitag verhaftet. Die Aufforderung der Militärjunta an den Gouverneur von Lagos war gleichzeitig ein versteckte Drohung, hatte doch Generalstabschef General Sanni Abacha erklärt, bei anhaltenden Protesten werde das Militär den Befehl erhalten, „die Lage in die Hand zu nehmen“. Schon bei der Annullierung der Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni hatte die Militärjunta alle Gouverneure der 30 Bundesstaaten selbst für die innere Sicherheit verantwortlich gemacht und sich damit Entlassungen und ausnahmerechtliche Maßnahmen vorbehalten.

Nach Meinung vieler Beobachter ist die harte Rhetorik des Generalstabschefs jedoch eher Ausdruck tiefer Uneinigkeit innerhalb der Militärführung. General Sanni Abacha und zwei andere Mitglieder des regierenden Militärrats hegten Mißtrauen gegen Präsident Babangidas Versprechen, doch am 27. August die Macht an einen zivilen Präsidenten zu übertragen, berichtete der Nachrichtendienst Africa Confidential. Bereits vor Wochen war der aus dem Norden stammende Leutnant Abubakar Umar ohne Angabe von Gründen von seinem Militärposten zurückgetreten. Es ist somit nicht unmöglich, daß Babangida auf demselben Weg das Präsidentenamt verliert, auf dem er es im Jahr 1985 erreichte: durch einen Militärputsch. D.J.