Sabotiert Inkatha Südafrikas Wahl?

■ Wachsende Gewalt seit der Verkündung des Wahltermins

Johannesburg (taz) – Zitternd ziehen die Frauen im Gemeindezentrum von Kathlehong die Decken enger. Quengelnd drängen sich Kinder in der Morgenkälte nahe dem Gefrierpunkt an ihre Mütter. In Sichtweite liegt die mit Steinbarrikaden übersäte Khumalo-Straße – eines der Schlachtfelder, auf denen seit dem Wochenende in den Townships Kathlehong und Thokza bei Johannesburg 73 Menschen starben.

Die Flüchtlinge im Gemeindezentrum wagen sich immer noch nicht nach Hause, obwohl das örtliche Friedenskomitee, der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) und die konservative Schwarzenbewegung „Inkatha“ ein Abkommen geschlossen haben. Sie wollen gemeinsam versuchen, ihre Anhänger von Angriffen auf die andere Seite abzuhalten. Bisher hält das Stillhalteabkommen.

Aber in ganz Südafrika starben 135 Menschen, seitdem bei den Demokratisierungsverhandlungen am Freitag der vergangenen Woche der Wahltermin 27. April 1994 festgelegt wurde. Fest steht, daß eine Gruppe von Unbekannten in der Nacht zum Montag ein Wohnheim voller Inkatha-Mitglieder beschoß. Fest steht auch, daß in Kathlehong vor allem Häuser von Leuten niedergebrannt wurden, die sich während der letzten Wochen geweigert hatten, Inkatha beizutreten.

Ist das die Realisierung der Drohung des Inkatha-Führers Mangasothu Buthelezi, er werde seine Zulu-Truppen in den Krieg gegen jede nach den Wahlen zu bildende Regierung der Nationalen Einheit schicken, sofern seine Forderungen nicht erfüllt würden? Buthelezi hat sich mittlerweile zum sogenannten „Serben-Faktor“ entwickelt: Von Inkatha hängt zum großen Teil ab, ob die Demokratisierung Südafrikas zum Blutbad wird. Der Inkatha-Führer paktiert inzwischen offen mit weißen Rechtsradikalen; mehrere Abgeordnete der regierenden Nationalen Partei suchten bereits Unterschlupf bei Inkatha. Ihre Begründung: Der Partei gehöre zumindest in der Provinz Natal die Zukunft. Weiße Bauern versorgen Inkatha-Mitglieder mit Waffen und Munition, um den blutigen Kampf gegen ANC-Mitglieder zu fördern.

Der „Häuptling mit der Doppelstrategie“, wie ihn Kritiker nennen, arbeitet systematisch an seinen politischen Zielen. Der Versuch, seine Inkatha-Partei im ganzen Land zu verbreiten, scheiterte. Seitdem schießt er aus Ulundi, der Hauptstadt des Zulu-„Homelands“ Kwazulu in der Provinz Natal, quer, um seine Zukunft als Provinzfürst abzusichern. Auf 185 Meter Länge kam die Telefax-Kopie der Rede, mit der er im Frühjahr eine Woche lang vor dem Parlament von Kwa Zulu – vertreten ist dort nur Inkatha – sein Grundsatzprogramm verkündete.

Funktionäre des ANC aber sind zuversichtlich, daß Buthelezi am Ende doch noch bei Südafrikas Demokratisierung mitmacht. Denn hinter all den schrillen Fanfarentönen verbirgt sich eine gesunde Portion Pragmatismus. Kaum hatte am letzten Freitag Südafrikas Verhandlungsforum den 27. April 1994 als Wahldatum festgesetzt, flog Inkatha-Delegationsleiter Joe Mathews zu einer Zentralkomitee-Sitzung nach Ulundi. Erster Tagesordnungspunkt: Widerstand gegen die Wahlen. Dritter Tagesordnungspunkt: Wahlstrategie. Willi Germund