Zehn Jahre für die Sonne

■ Konferenz zur Vorbereitung einer UNO-Dekade für Solarenergie: Aktionsplan wird morgen verabschiedet

Paris (taz) – Niemand zweifelt daran: Die fossilen Brennstoffe gehen zur Neige, ihre Verbrennung schadet zudem der Umwelt. Dennoch können sich die alternativen Energiequellen nirgends durchsetzen. Um deren Erforschung und Nutzung zu fördern, veranstalten die Vereinten Nationen diese Woche am Sitz der Unesco in Paris einen „Weltsolargipfel“: 150 Wissenschaftler, Ökonomen und Politiker ziehen eine Bilanz der bisherigen Entwicklung der erneuerbaren Energiequellen und debattieren über Wege, ihre Anwendung voranzubringen. Der Kongreß soll zugleich die erste Stufe sein zur Vorbereitung einer „Weltdekade der Solarenergie“, welche die UN 1995 ausrufen wollen. Aufgabe der TeilnehmerInnen ist es, erste Vorschläge zu machen für einen Aktionsplan, der die erneuerbaren Energiequellen voranbringen soll.

Adolf Götzberger, Vorsitzender der Internationalen Solarenergiegesellschaft und Direktor des Fraunhofer-Instituts in Freiburg, betrachtet diese Mobilisierung als letzte Chance: „Der Welt steht eine Klimakatastrophe bevor, die weitgehend auf die Verwendung von CO2-emittierenden Brennstoffen zurückzuführen ist. Wenn wir so weitermachen, wie bisher, werden wir beim CO2-Verbrauch nicht einmal einen Stillstand erreichen.“

Götzberger ist auf der Tagung zuständig für die Zielsetzungen im Bereich Forschung und Entwicklung. „Wir beraten hier, welche Kostenziele die Sonnenenergie erreichen und welchen Anteil sie in zehn Jahren am allgemeinen Energieaufkommen haben sollte.“ Der Wissenschaftler betont, daß die meisten Solarsysteme wie Solarzellen, Biomasse, Fotovoltaik und passive Sonnenenergienutzung soweit ausgereift sind, daß sie eingesetzt werden können. „Heute geht es darum, die Technik zu verbessern und die Kosten zu senken.“ So hat sein Institut bewiesen, daß selbst in einem sonnenarmen Land wie Deutschland ein Wohnhaus vollständig durch Sonnenenergie versorgt werden kann. Derzeit arbeiten die Wissenschaftler an Konzepten, wie Elektroautos solar versorgt werden können, „das Potential dafür ist vorhanden“, meint Götzberger.

Das Hindernis für die Verbreitung alternativer Energien liegt auf der politischen Ebene: „Wenn man an den heutigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen festhält, ist kein alternativer Energieträger konkurrenzfähig. Das liegt daran, daß die fossilen Energien zu billig verkauft werden. Denn die kostenintensiven Umweltauswirkungen bis hin zum Treibhauseffekt sind in ihrem Preis nicht enthalten.“

Die bisher nachgewiesenen Erdölvorräte reichen noch für 30 Jahre. Angesichts der zwingenden Notwendigkeit, eines Tages auf alternative Energien umzusteigen, begreift der Wissenschaftler nicht, daß die Bundesregierung die Gelder zu deren Erforschung soeben gekürzt hat.

Einen Vorschlag, der vor allem Entwicklungsländer zum Umsteigen auf Solarenergie bewegen soll, hat in Paris der Vorsitzende der „Europäischen Vereinigung für Solarenergie“ (Eurosolar) und SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer vorgelegt. „Eurosolar“ macht sich für einen „Solaren Verbreitungsvertrag“ stark. Ein solches internationales Abkommen soll garantieren, daß alle öffentlich geförderten Forschungs- und Entwicklungserkenntnisse auf dem Gebiet der Solartechnologie den Unterzeichnerstaaten kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist, daß der betreffende Staat zuvor den „Nuklearen Nicht-Verbreitungsvertrag“ signiert hat. „Das Problem des Atomwaffensperrvertrages ist, daß er den Ländern, die auf Atomwaffen verzichten, als Gegenleistung Technologietransfer zur Nutzung der zivilen Kernenergie verspricht“, sagt Scheer. „Doch einerseits ist die Kernenergie gerade für Entwicklungsländer ungeeignet, andererseits erlaubt ihnen die zivile Nutzung, auch das Know how zur Herstellung von Atomwaffen zu entwickeln, wie sich im Fall Iran gezeigt hat.“

Der Technologietransfer in Sachen Solarenergie könne über eine Internationale Agentur für Solarenergie laufen, deren Gründung Eurosolar bereits vor drei Jahren angeregt hat. Scheer hofft, daß sein Vorschlag am Freitag in die Abschlußempfehlungen des Weltsolargipfels einfließen wird und daß er auch Eingang finden wird in die Überlegungen zur Verlängerung des Atomwaffensperrvertrags, der am 1. Juli 1995 ausläuft.

Wissenschaftler wie Götzberger setzen große Hoffnungen in einen solchen Vertrag, da sich die Solarenergie insbesondere für Entwicklungsländer eigne. „Wir müssen dafür sorgen, daß vor allem in ländlichen Gebieten der Dritten Welt, die bislang an keiner Energieversorgung teilhaben, dezentrale, alternative Energiequellen verfügbar gemacht werden“, betont Götzberger. Bettina Kaps