Abstellgleis für BKA-Chef Zachert gesucht

■ SPD und FDP fordern Versetzung von Hans-Ludwig Zachert / Spürhunde suchen in Bad Kleinen weiter nach Patronen

Berlin (taz) – Je länger das Verwirrspiel um eingesetzte Waffen, ballistische Gutachten und Schuldzuweisungen unter den beteiligten Amtschefs und -chefinnen geht, um so mehr Personen werden aufs Rücktrittskarussell gehievt. Als letztes Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, deren „politische Verantwortung“ für Bad Kleinen gestern von dem CDU-Innenpolitiker Günter Klein bemerkt wurde. Länger schon auf der Liste: BKA- Chef Hans-Ludwig Zachert, der die Woche nach der Schießerei auf Kur war „ohne sich einmal gemeldet zu haben“ (so Peter Struck, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion).

Bis heute hat Zachert nur mit Phantasieprodukten (siehe links) aufwarten können, anstatt zum Beispiel zu erklären, warum das BKA die beteiligten GSG-9- Schützen eine Woche lang unter Verschluß hielt, ohne daß die Staatsanwaltschaft Schwerin sie verhören konnte. Die Versetzung von Zachert forderten gestern unisono der Vorsitzende des Innenausschusses, Hans Gottfried Bernrath (SPD), und sein Stellvertreter Wolfgang Lüder (FDP).

Lüder verlangte vom neuen Innenminister Manfred Kanther, daß dieser „sofort nach der Sommerpause ein Konzept zur Besetzung der Führungspositionen im Bereich der inneren Sicherheit vorlegt“. Man solle, sagte er der taz, „mit neuen Köpfen einen neuen Anfang finden“. Im übrigen werde die FDP in der Sondersitzung des Innenausschusses am Montag einige Fragen stellen: Warum beispielsweise die GSG-9-Beamten zu ihrem Verhör gemeinsam und vermummt im Hubschrauber gebracht wurden, mit der Möglichkeit, Zeugenaussagen untereinander abzusprechen. Gerne wissen würde Lüder auch, ob irgendeiner der vernehmenden Beamten sie gefragt hat, welche Waffen sie dabei hatten.

Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wird in der nächsten Woche mit dem SPD- Vorsitzenden Rudolf Scharping über einen Nachfolger für den entlassenen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl sprechen. Dabei soll versucht werden, einen gemeinsamen Vorschlag von Union und SPD zustande zu bringen.

Die Süddeutsche Zeitung meldete unter Berufung auf Sicherheitskreise, Hogefeld und Grams hätten nach den ursprünglichen Planungen bereits zwei Tage vor der Aktion in Bad Kleinen in einem „unbewohnten Gebiet“ festgenommen werden sollen. Dies sei aber wegen nicht näher bezeichneter „logistischer Schwierigkeiten“ der Sicherheitsbehörden gescheitert. Unterdessen werden wegen des Todes von Grams am Samstag mehrere tausend Demonstranten in Wiesbaden erwartet. Unterdessen ist die Leiche von Wolfgang Grams für neue Untersuchungen wieder beschlagnahmt worden, und auf dem Bahnhof von Bad Kleinen suchten Spürhunde gestern wieder nach Munition oder Patronen. MR Dokumentation Seite 2, Tagesthema Seite 3, Porträt des „dritten Mannes“ Seite 11