Sommerpreisrätseln bei der Bahn

■ Die europäischen Bahnen bieten im Sommer Sonderpreise für so ziemlich jede Gruppe

Wer mal versucht hat, ein Fahrrad mit der Bahn aufzugeben, weiß wie schwierig man einen ganz normalen Fahrpreis erfährt. Als Einstieg in die Wirrnis der Fahrkosten soll der erfragte Fahrradtransport als Beispiel dienen.

Der erste Versuch, eine Fahrkarte für das Rad zu organisieren, geschah per Telefon: „Von Bad Pyrmont nach Bremen? Keine Ahnung, ich schätze, so 100 Mark sein.“ Zweiter Versuch vor Ort am Bremer Bahnhof: „ Tja, Frollein, das kann ich Ihnen auch nicht so genau sagen, aber es könnten so um die 21 Mark sein. Versuchen Sie's bitte beim Güterschalter.“

Gesagt, getan: „'N Fahrrad woll'n sie aufgeben? (Lange, lange Pause.) Jaa, also, diese Strecke. Na, ich schätz mal so um die 50 Mark, oder?“

Sind wir hier beim Preisrätsel? Schnell, weg aus diesen Hallen des Unwissens. Nochmal ans Telefon: „Ja, das kann ich ihnen ganz genau sagen, 30 Mark kostet das, und der Tür-zu-Tür-Service noch mal 10 Mark.

Für Menschen gibt es in Europa in diesem Sommer jede Menge Spar-Preise. Beim Euro- Domino 1993-Angebot haben sich 26 Länder zu einer Sparvernetzung zusammengeschlossen. Daraus muß man seine persönliche Route kombinieren. „Das System ist einfach“ steht da hämisch in der Bahn-Broschüre: Reiseländer raussuchen, überlegen, wieviele Tage man in welchem Land Bahn fahren wollte, um dann die Preise zusammenzuzählen. Auf Bahnstrecken in Deutschland und in Durchgangsländern gibt es 25 Prozent Rabatt.

Damit das Ganze verständlich wird, gibt's ein Beispiel: „Sie wollen von Köln nach Paris, dann weiter über Bordeaux und Narbonne nach Marseille und zurück nach Köln. Dazu brauchen Sie eine 5-Tage-Netzkarte von Frankreich (laut Tabelle gleich 353 Mark), dann noch die Fahrten in Belgien und Deutschland dazu, macht dann alles zusammen 428,40 Mark.“ Ein Einzelticket kommt 466,80 Mark, also sparen Sie ganze 38 Mark 40 für viel aufregung und Suchen.

Die Preise der 3-, 5-, oder 10-Tageskarte des Euro Domino sind je nach Land sehr unterschiedlich. So kosten 3-Tage Bahnfahren in Polen nur 72 Mark, hingegen in Frankreich gleich 257 Mark.

Bahnfahren auf den verrotteten Gleisen im Osten Europas ist immer noch relativ preisgünstig. Mit dem sogenannten „Explorer- Paß“ für die baltischen Staaten kann allerdings nur die Jugend oder die „Elite“ reisen; alle unter 26 Jahren, StudentInenn, LehrerInnen, ProfessorInnen und deren Angehörige können dort zwischen einer und drei Wochen vergünstigt Bahnfahren.

Ein Beispiel: 21 Tage rumreisen im Baltikum kostet 65 Mark. In Ungarn zahlt man für die gleiche Zeit 312 Mark.

Für Jugendliche gibt es weiterhin das InterRail-Ticket. Es kostet 580 Mark für einen Monat und damit können Jugendliche bis 25 Jahren in 23 europäischen Ländern und der Türkei umherfahren. In Deutschland gibt es 50 Prozent Ermäßigung beim Interrailen.

Senioren können mit dem RES (Rail Europe Ticket 5) 30 Prozent billiger fahren - aber nur, wenn sie eine Bahncard haben. Das Seniorenticket ist in 20 europäischen Staaten gültig. Wer über 60 Jahre ist, kann die Karte für 30 Mark erwerben.

Die Schweiz bietet die „Swiss- Card“ für 152 Mark an, damit kann man einen Monat für die Hälfte durch die Schweiz fahren. Auch das Nachbarland Österreich hat eine Card, die „Rabbit Card“; ein Monat durch das Land kostet 527 Mark.

Frankreich hat seine Touristenkarte zum letzten Mal im Angebot: „Billet de Sejour“ für 112,80 Mark — damit bekommt man bei mindestens 1.000 Km im Hin-oder Rückfahrtverkehr zwischen Deutschland und Frankreich 25 Prozent Rabatt.

Bei vielen Tickets und Vergünstigungen ist es preisgünstiger, die Fahrkarten im entsprechenden Reiseland zu lösen. Bei der Bundesbahn kostet ein „Finnrail-Pass“ für acht Tage 198 Mark, und in Finnland selbst nur 470 Finnmark, das sind umgerechnet nur etwa 145 Mark.

In Schweden gibt es während des Sommer eine kleine Bimmelbahn, die durch Nordschweden fährt und die Rentiere beguckt. Diese Bahn ist nirgends in den deutschen Broschüren aufgeführt. Ansonsten kommt man in Schweden bei „Röd avgang och Rött pris“ (Rote Tage und Roter Preis) günstig weg. Das sind ab 150 km 50 Prozent Rabatt.

Wer preiswert reisen möchte, sollte keiner festen Route folgen, sondern offen bleiben für neue Varianten der Routenzusammenstellung. Dänemark bietet zum Beispiel ein 6-Tage-Ticket an, hierbei gibt's 35 Prozent Ermäßigung auf allen Strecken der DB und den Dänischen Staatsbahnen.

Preiswert geht's auch in der Schottischen Einsenbahn zu: Scottisch Travelpass heißt die Netzkarte, die für alle Bahnstrecken und einigen Fähren in Schottland gültig ist. Sie koste für 8 Tage 270 Mark und für 15 Tage 370 Mark (ohne Kinderermäßigung).

Manche Tickets haben wohlklingende Namen, wie die Carte Kiwi, die für Jugendliche in Frankreich gedacht ist. Die Carte Couple hingegen ist nur und ausschließlich für Paare, Ehepaare oder Lebenspartner, gilt für 5 Jahre und für Fahrten in der Blauen Periode — Montag 12.00 Uhr bis Fr. 12.00 Uhr.

Die Karte ist kostenlos, Familienstammbuch oder Nachweis der Lebensgemeinschaft (wie macht man das?) und Photos sind mitzubringen. Sie ermäßigt die zweite Person auf allen Fahrten innerhalb Frankreichs um 50 Prozent.

„PolRailPaß“ bedeutet übersetzt eine Netzkarte für Polen. 8 Tage kosten 100 Mark und ein ganzer Monat 150 Mark. Er ist für alle Reisenden gedacht.

Die Übersicht über die Preise gibt es in einer Broschüre bei der Bundesbahn. Einige Informationen sind nicht gerade eindeutig, aber im Urlaub soll man sich ja auch mal überraschen lassen.

Vivianne Agena