Gedenktafeln wurden in Blitzaktion abmontiert

■ Bezirksamt Schöneberg hat Pech mit preisgekröntem Denkmal für verfolgte Juden am Bayerischen Platz / Bauverwaltung ließ sämtliche 80 Tafeln abnehmen

Das Bezirksamt Schöneberg hat wirklich Pech mit seinem preisgekrönten dezentralen Denkmal zur Erinnerung an die von den Nazis verfolgten, entrechteten, deportierten und ermordeten Juden. Wenige Tage bevor die 80 Tafeln mit den ausgrenzenden Verwaltungsbeschlüssen wie beispielsweise „Lebensmittel dürfen Juden in Berlin nur nachmittags von 4–5 Uhr einkaufen. 4.7.1940“ enthüllt werden konnten, beschlagnahmte die Polizei 16 dieser Mahnmale. Einzelne Bürger hatten den Staatsschutz benachrichtigt, weil sie antisemitische Provokateure am Werk sahen und nicht Mitarbeiter des Kunstamtes. – Nach der Einweihung am 11.Juni hingen die 70 mal 50 Zentimeter großen Tafeln genau drei Wochen lang an den Peitschenlampen rund um den Bayerischen Platz. Dann fiel eine der Tafeln herunter und eine zweite lockerte sich. Damit die Passanten nicht von antisemitischen Verordnungen erschlagen werden und es einen jüdischen Bürger nicht zum zweitenmal trifft, beschloß die Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen, unverzüglich zu handeln. So eilig, daß sie nicht einmal das Bezirksamt Schöneberg, geschweige denn das Kunstamt informierte. Sie schickten Anfang Juli einen Arbeitertrupp los und ließ sämtliche 80 Tafeln abschrauben.

Und wieder wurden als erstes die Bürger aktiv. Diesmal zum Schutz der Tafeln. Diebe würden die Denkmäler abschrauben, lautete ein aufgeregter Anruf beim Bezirksamt, und andere Empörte rannten gleich zum Informations- Container am Bayerischen Platz. „Ob sie schon wüßten, daß...“, fragten sie die dort die Museumspädagogen. „Die Reaktion auf das Demontagewerk sei beachtlich gewesen“, sagt eine Mitarbeiterin des Kunstamtes, „immerhin ein Beleg für die Akzeptanz des dezentralen Denkmals.“

Damit die Aufregung nicht noch größer wird, hat das Kunstamt jetzt Hinweis-Aufkleber an die Peitschenlampen gepappt. „Die Tafeln des Mahnmals mußten vorübergehend abgenommen werden, weil sich Probleme mit der Befestigung ergeben haben“, steht darauf und daß die Instandsetzungsarbeiten noch in diesem Monat beendet sein werden.

Warum der Senat nicht unverzüglich das Bezirksamt über die Abhängung informierte, konnte gestern niemand befriedigend erklären. Gefahr sei im Verzug gewesen, begründete Pressesprecher Schlichting die Blitz-Aktion. Auch die Künstler Frieder Schnock und Renate Stih, eigentlich verantwortlich für die ausgewogene Statik, wiesen alle Schuld von sich. „Die Rahmenfirma“ habe schlampig gearbeitet, heißt es entschuldigend im Besucherbuch am Bayerischen Platz. Anita Kugler