Sparzwang und Reform

■ Jugendsenator Krüger zog Halbzeitbilanz / Recht aufKita-Platz als "sozialpolitische Jahrhundertaufgabe"

Im Ostteil der Berlins sind noch Plätze in Kindertagesstätten frei, allein im Bezirk Lichtenberg stehen noch 600 Kitaplätze zur Verfügung. Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) rief gestern Eltern im Westen dazu auf, das Angebot zu nutzen und sich an das nächstgelegene Ost-Bezirksamt im Ostteil zu wenden. Für die Außenbezirke bestehe auch die Möglichkeit, ein Kind in Brandenburger Gemeinden betreuen zu lassen. Krüger betonte, daß spätestens nach dem Fortbildungsprogramm für ErzieherInnen aus Ostberlin gleiche pädagogische Standards in West und Ost bestünden.

Als „sozialpolitische Jahrhundertaufgabe“ bezeichnete Krüger auf der Halbzeitbilanz seiner Amtszeit die Verwirklichung des Anspruches auf einen Kindergartenplatz ab 1996. Der hohe Versorgungsgrad mit Kitaplätzen in Ostberlin sei eine ermutigende Ausgangslage. Doch die noch fehlenden 18.000 Plätze könnten nicht allein durch Neubau geschaffen werden. Wer sich dagegen sträube, neue Wege wie die Beauftragung freier Träger oder die Vergrößerung der Gruppen zu gehen, verkenne die Chance, damit auch Neues zu entwickeln.

„Weniger Geld muß dazu führen, daß sich alle Senatsverwaltungen auf Reformen einlassen“, sagte Krüger. Das Land könne sich Besitzstandswahrung nicht mehr leisten und müsse Prioriäten setzen. Die Kinder- und Jugendpolitik, die vorher stets als „Sparbüchse“ habe herhalten müssen, habe wieder an Gewicht gewonnen. Krüger verwies dazu auf das Anti-Gewalt-Programm des Senats. Bei Bauvorhaben würde neuerdings auf Sozial- und Jugendverträglichkeit geachtet. Auch habe er seinen Etat trotz des Sparzwangs von 414 Millionen 1992 auf 628 Millionen 1993 steigern können. Im nächsten Jahr rechnet er mit 25 bis 30 Millionen mehr, die vorwiegend im Kita-Bereich verwandt werden sollen.

Krüger forderte, Jugendpolitik zu verstehen als Investition „in das soziale Kapital der Stadt“. Immerhin sind im Ostteil 47 Prozent, im Westteil 32 Prozent der Bevölkerung unter 18 Jahre alt. „Wir können uns einen Generationenkonflikt auf Dauer nicht leisten.“ Er warnte auch vor der entstehenden Zweiklassengesellschaft zwischen Menschen, die Kinder haben, und solchen mit doppeltem Einkommen ohne Kinder.

Noch in diesem Jahr will Krüger ein Heimreformprogramm auf den Weg bringen. Rund 6.000 Berliner Jugendliche wohnen derzeit in Heimen. Von ihnen sind 28 Prozent volljährig, weitere 30 Prozent sind in Einrichtungen in Westdeutschland untergebracht. „Nicht jedes Heimkind ist auf die Intensität an Betreuung angewiesen“, so Krüger. Für viele sei die Unterbringung in Jugendwohngemeinschaften unterschiedlichen Betreuungsgrads sinnvoller, von denen es in Berlin viel zu wenige gebe. Auch komme im Heim auf jedes Kind durchschnittlich eine Personalstelle, so daß die Tagessätze fast doppelt so hoch lägen wie im betreuten Jugendwohnen. cor