Die sanfte Art, gesund zu bleiben

■ Gespräch mit Barbara Richter, Geschäftsführerin des Internationalen Kur-Dienst (IKD), der Gesellschaft für medizinischen Tourismus in München, über die Perspektiven der Wellness-Welle

taz: Nimmt die Nachfrage nach der traditionellen Kur ab?

Barbara Richter: Nach unserer Erfahrung, ja. Das liegt insbesondere daran, daß nicht mehr soviel Zuschuß bezahlt wird, nämlich nur noch 15 statt 27 Mark pro Tag. Und wer nicht gerade eine Kur von der Landesversicherungsanstalt genehmigt bekommt, muß den ambulanten Kuraufenthalt vom Urlaub bestreiten. Wenn man eine Kur selber bezahlt, nimmt man keine drei Wochen Urlaub, allenfalls eine oder zwei. Außerdem möchte man dann natürlich auch Spaß für sein Geld haben.

Was verstehen Sie unter „Gesundheitstourismus“?

Einen Urlaub zum Gesundbleiben, das heißt: für die Prophylaxe. Ein Urlaub also, der den modernen Zivilisationsproblemen – ewiges Sitzen, Streß , etc. – entgegenwirken soll. Die Maßnahmen dagegen sind Sport, Fitneß, Ernährungsprogramm, Kuranwendungen und gezielte Anstöße und Beratung über den aktuellen Aufenthalt hinaus für das Alltagsleben.

Ist eine gezielte professionelle Beratung und Begleitung immer gewährleistet?

Viele Kurorte sind nach wie vor nur auf die traditionelle Kur eingestellt. Doch das Gesundheitsbewußtsein wächst, das heißt, die selbstbezahlte „Wellness“ wird immer mehr gefragt und die Prävention wird immer wichtiger genommen. Das bedeutet auch, die Kurorte müssen sich auf diese neuen Gegebenheiten mehr als bisher umstellen.

Ist Wellness die privatisierte Variante der kassenärztlichen Kur?

Wellness kommt aus den USA und ist dort in erster Linie Lifestyle. Eine Bewegung, die sich besonders gegen das aggressive Fitneßtraining richtet. Aber die Wellness-Philosophie reicht dort von der richtigen Art zu leben bis zur richtigen Bank. Bei uns ist Wellness mehr die sanfte Art, gesund zu bleiben, sich körperlich wohlzufühlen bei hellem Licht, in freundlicher Atmosphäre. Die im Keller verabreichte Fangopackung paßt nicht mehr zu diesem Konzept.

Also neuer Wein in alten Schläuchen, nachdem die Prävention im Gesundheitsbereich von den öffentlichen Trägern nicht immer übernommen wird?

Das Wellness-Programm soll insbesondere jüngere Leute interessieren. Dabei ist es für viele Kurorte schwierig, das Image des „Krankseins“ wegzubekommen. Dies ist aber Voraussetzung für die präventive Wellness-Kur.

Wellness ist also ein neues Marktsegment im Tourismus?

Richtig.

Für jüngere Leute bietet das kulturelle Angebot in den Kurorten zumeist sehr wenig.

Das stimmt. Die meisten Kurorte vollziehen eine Gratwanderung zwischen traditionellem Image und neuen Angeboten. Sie wollen die alten Gäste nicht vergraulen und gleichzeitig neue heranziehen. Doch von Kurkonzerten im Kurpark werden die Jüngeren nicht gerade angelockt. So werden oft neue Anlagen außerhalb der Orte errichtet, die nicht mit dem verstaubten Image in Verbindung gebracht werden können. Neue Sporthotels beispielsweise sind von vornherein dagegen gefeit.

Welche Rolle spielt die Schönheit?

Häufig ist die Frau der Motor für Gesundheitsurlaub. Sie bewegt man wiederum hauptsächlich über die Schönheit zu einem Aufenthalt. Somit ist die Schönheitskur der Einstieg in den Gesundheitsurlaub. Wobei diese natürlich über die kosmetische Seite hinausgehen muß. Ich will etwas für mich tun, lautet die Prämisse der Frauen – und zwar für die innere und äußere Schönheit.

Welches ist Ihre Klientel?

Aus unterschiedlichen Bereichen. Beispielsweise werden Wellness-Programme in bestimmten Orten von der Kurverwaltung schon für 300 Mark die Woche angeboten. Wenn man sich dann in einer Pension einmietet, kommt dies nicht teurer als ein normaler Urlaub. Ausgefeilte Konditionsprogramme mit Trainer und individueller Beratung sind natürlich teurer, man kann sagen, für die gehobene Mittelklasse. Die ganz teuren sind als Präventions-Packages, teures Hotel plus Behandlung, zu buchen.

Entspricht Ihre Klientel dem Cluburlauber?

Von der Schicht „gehobene Mittelklasse, Selbständige“ und der Altersgruppe zwischen 25 und 50 Jahren sicherlich. Und auch bei den Cluburlaubern besteht die Tendenz, im Urlaub mehr für sich zu tun, beispielsweise durch die vielseitigen Sportangebote im Club. Doch Gesundheitstourismus geht darüber hinaus. Die Prävention gezielt angehen ist mehr, als nur Sport treiben.

Sind Ihre Kataloge zielgruppenspezifisch aufbereitet?

Ja, das Angebot gliedert sich in drei Kataloge: „Top Health und Sport“ ist für Manager, „Kuren und Gesundheitsferien“ umfaßt das traditionellere und günstige Angebot und der „Beauty“-Katalog ist speziell für Frauen, die dann häufig ihre Partner mitnehmen. Dieser Bereich boomt, 100 Prozent Steigerung konnten wir allein dieses Jahr verbuchen.

Ist bei Wellness der Kurschatten out?

Der Kurschatten ist nie out!

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Wellness und Ökologie?

Die gesundheitsbewußten Deutschen setzen Gesundheit und Umwelt in Beziehung zueinander. Ökologisches Verhalten ist auch im Hotel gefragt. Ich meine, daß Gesundheitsbewußtsein mit einem gesunden Umfeld Hand in Hand gehen muß. Gesundheit und Ökologie sind daher eng verbunden, auch wenn diese Beziehung längst nicht überall realisiert ist. Interview: Edith Kresta