Bestechungsskandal in Südkorea

■ „Unregelmäßigkeiten“ bei Rüstungskäufen von 1974 bis 1993 kosteten 225 Millionen Dollar / Ex-Präsident im Visier

Seoul/Berlin (taz) – „Als ich mein Amt antrat, habe ich der Nation drei Dinge versprochen: die Korruption zu beenden, die Wirtschaft zu beleben und Disziplin in die Regierungsgeschäfte zu bringen.“ Südkoreas Präsidenten Kim Young Sam, der Ende Februar den Posten des Staatschefs übernahm, ließ seinem Versprechen bald Taten folgen: Er entließ über tausend Beamte, Wirtschaftsführer und Militärs. Eine ganze Reihe von Ex- Generälen, Polizisten und Politikern wurden im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen – zumindest kurzfristig – festgenommen. Allerdings mußte er auch in seiner eigenen, gerade erst gebildeten Regierung kehren: Bereits im März ersetzte er drei MinisterInnen, die beschuldigt wurden, sich Vorteile erschlichen oder anderweitig unangemessen betragen zu haben.

Jetzt scheint gar Kims Amtsvorgänger vom Besen der Anti-Korruptionskampagne gestreift zu werden: Gestern sprach der Vorsitzende der südkoreanischen Staatsaufsichtsbehörde Lee Hoi- Chang in Seoul davon, daß auch Ex-Präsident Roh Tae Woo zu einem Bestechungsskandal im Zusammenhang mit Rüstungskäufen befragt werden könne.

Dabei geht es um das sogenannte „Yulgok“-Projekt zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit des südkoreanischen Militärs. Roh hatte 1990 entschieden, statt des vorgesehenen Kampfflugzeugs vom Typ F-18 jenes vom Typ F-16 zu erwerben. Wurde er bestochen, um diese, wie Beobachter behaupten, militärisch widersinnige Entscheidung zu fällen?

Die Untersuchungen zu der Korruptionsaffäre, in die zwei ehemalige Verteidigungsminister (Lee Jong-Koo und Lee Sang- Hoon) und weitere hochrangige Militärs verwickelt waren, begannen am 27. April. Sie betrafen insgesamt 23 Einzelprojekte, die mit „Yulgok“ in Zusammenhang stehen. Gestern gab der Chef der Aufsichtsbehörde erste Ergebnisse bekannt: Danach gab es bei 118 Vertragsabschlüssen Unregelmäßigkeiten, die das südkoreanische Verteidigungsbudget zwischen 1974 und 1993 rund 255 Millionen US-Dollar gekostet haben. Gegen 34 Militärs und Angestellte des Verteidigungsministeriums, soviel steht seit gestern fest, wird Anklage wegen Bestechlichkeit erhoben.

Kim Young Sam ist der erste Staatschef Südkoreas, der nicht aus dem Militär kommt. In einem Interview mit der Hongkonger Far Eastern Economic Review erklärte er kürzlich auf die Frage, ob er sich nach den Säuberungen in den Streitkräften nicht vor einem Putsch fürchte: „Ein Staatsstreich ist unmöglich. Ich habe alle Offiziere gesäubert, die an der Politik interessiert sind. Ich habe völlige Kontrolle über die Armee.“ Tatsächlich scheinen die Militärs, die noch vor kurzem ganz selbstverständlich an den Fäden der Macht zogen, im Augenblick geradezu erstarrt. Wenn auch kaum anzunehmen ist, daß Kim Young Sam gegenwärtig unter den Generälen viele Freunde hat, kann er sich doch eines starken Rückhalts in der Bevölkerung sicher sein. Er hat sich mit seiner seiner Anti-Korruptionskampagne bei der Bevölkerung so beliebt gemacht – in Meinungsumfragen nach den ersten hundert Amtstagen erhielt er 70 bis 90 Prozent Zustimmung –, daß er der Opposition nach Ansicht von Beobachtern den Wind aus den Segeln genommen hat. So sprach Lee Ki Taek, Chef der Demokratischen Partei Südkoreas, kürzlich denn auch bitter von einer neuen Form autoritärer Herrschaft im Blauen Haus. Das ist nicht nur Neid: Die Oppositionspartei – deren Chef bis zu seiner Wahlniederlage Kim Young Sams Erzrivale Kim Dae Jung war – wirft dem Präsidenten vor, zuwenig Macht an das Parlament abzugeben und nicht konsequent genug mit den ehemaligen Machthabern abzurechnen. Sie hat gestern sofort gefordert, den Ex-Präsidenten wegen möglicher Beteiligung an der Bestechungsaffäre vorladen zu lassen.

Dagegen wandten sich jedoch die herrschenden Liberaldemokraten: Sie wollen es auf keinen Fall akzeptieren, daß ihr ehemaliger Chef vom Untersuchungsausschuß befragt wird. Die konservativen Kräfte in Kim Young Sams Partei sind vom Vorpreschen ihres Staatschefs nicht begeistert. Jutta Lietsch/MK