Nächstes Jahr in Neapel

■ „Gipfel der Arbeitslosigkeit“ im Herbst in den USA / Der nächste Weltwirtschaftsgipfel 1994 in Italien / Kleine Schritte Richtung Gatt

Tokio (taz) – Die kanadische Premierministerin Kim Campbell und der russische Präsident Boris Jelzin sind froh, zum Weltwirtschaftsgipfel nach Tokio gereist zu sein – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Für die erst kürzlich zu Amt und Würden gekommene Kim Campbell war, wie sie gestern zum Abschluß des Gipfels sagte, der Druck wichtig, den ein solches Ereignis auf politische Entscheidungsträger ausübt: Ohne Gipfel hätte es vermutlich überhaupt keine Fortschritte für die Verhandlungen von 116 Ländern über das neue Welthandelsabkommen Gatt gegeben. Außerdem hätten ihr persönlich die drei Tage in Tokio jede Menge Zeit erspart, weil sie ein „Crashkurs in Weltpolitik“ gewesen seien.

Für Boris Jelzin waren die Gespräche mit den Regierungschefs von USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada ein Erfolg, weil er, und damit Rußland, erstmals als gleichberechtigter Partner behandelt worden sei. Bei seinen vorangegangenen Treffen mit den Staatschefs dieser größten sieben Industrienationen sei er eher wie ein Schüler wahrgenommen worden, dem die Lehrer erklären, wie man erfolgreich kapitalistisch wirtschaftet.

Auf diesem Gipfel jedoch mußten die großen Sieben erstmals zugeben, daß sie genau das eigentlich auch nicht wissen. Seit ihnen durch das Ende des Kalten Krieges der Gegner fehlt, verzeichnen auch die reichsten Länder der Erde eine durch Rezession verstärkte Strukturkrise, die sich mit den gewohnten Konjunkturprogrammen nicht mehr einfach beheben läßt. Die zum Abschluß des Gipfels veröffentlichte wirtschaftspolitische Erklärung setzt darum in diesem Jahr nicht mehr allein auf Wachstum als Allheilmittel gegen die Arbeitslosigkeit. Deshalb verabredeten die G7, in deren Ländern zusammen 23 Millionen Menschen arbeitslos registriert sind, im Herbst in den USA auf Einladung Clintons zu diesem Thema einen Extra- Gipfel zu veranstalten.

Der jährliche Weltwirtschaftsgipfel, der in diesem Jahr allseits heftig als überflüssige Veranstaltung kritisiert worden war, soll künftig „schlanker und informeller“ gestaltet werden. Was das heißt, darüber waren allerdings die Teilnehmer in Tokio äußerst uneins. Die Italiener, die den 1994er Gipfel in Neapel ausrichten, werden darüber im Vorfeld wohl ein höchst aufwendiges Abstimmungsverfahren unter den Sieben in Gang setzen müssen. dri

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