Auf großer Kaperfahrt

■ Siegen oder untergehen mit dem Jungen Theater / Unter jedem Dach ein „Ach“ (7)

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Irgendwo im Moor, dort, wo es am modrigsten ist, dümpelt die Piratenmannschaft, treibt tatenlos umher. „Satte Jugendliche, die nicht mehr richtig wissen, was sie wollen“, interpretiert Carsten Werner das Szenario, „oder auch satte Theaterleute.“

Das symbolbeladene Schiff geht im September auf Fahrt, als Requisite im Drama „Brut“. Und wohl auch als Kommentar aufs Bremische Theaterleben und — sterben. Mit „Brut“ wird das Junge Theater, dem Werner angehört, in die kommende Saison schippern — ächzend unter der Last, ein eigenes Haus unterhalten zu wollen, aber immer noch mit Volldampf vorausbrausend, wider alle Zweifler, Mahner und Kulturbeamten.

Den Vorwurf, satt und tatenlos umherzutreiben, kann das Junge Theater selbst sich kaum zu eigen machen. Seine Produktionswut — zehn Stücke liefen in der ersten Saison vom Stapel — , in Tateinheit mit erheblichen Management-Fähigkeiten, ließen manch altgedienten Skipper der heimischen Theater doch staunen.

Und das alles ohne einen „sicheren Pfennig“ aus der Stadtkasse. Dabei soll es auch bleiben, wenn es nach den Vorstellungen der Kulturdeputation geht: Im Entwurf für den 94er Kultur-Haushalt ist kein noch so kleines Haushalts- Pöstchen für das Junge Theater vorgesehen. Projektmittel, in Häppchen von 10.000 Mark, sollen das Ensemble über die Saison bringen. Der Subventions-Bedarf der Bühne aber liegt bei jährlichen 170.000 Mark, um wenigstens sechs bis sieben halbe Stellen bezahlen zu können. So hat es Werner errechnet und der Senatorin vorgelegt — ohne Erfolg.

Nun ist zwar das Jammern und Wehklagen laut im Hause an der Friesenstraße. Aber anstatt, wie bei den Freien üblich, mit Schließung zu drohen, kündigt das Junge Theater „ein fettes, volles Programm“ für den Herbst an. Darin soll die Philosophie des Hauses nochmals in ihrer ganzen Bedeutungsschwere klar werden, nämlich: „Sehr effektiv zu arbeiten, um auch anderen Theaterleuten die Möglichkeit zu geben, hier was zu machen“.

„Was der SPD-Leo (gemeint ist Detmar Leo, Kulturexperte der SPD, Anm.d.Red.) da an Verzahnung zwischen den Institutionen verlangt, das wird hier ja längst praktiziert.“ Im Waldau-Theater, im Kontorhaus und am Goetheplatz helfen die Alteingesessenen der Jugend mit Proberäumen aus. Dafür gibt das Junge Theater freien Regisseuren, Schauspielern, Kleinkünstlern Raum in ihrer bescheidenen Hütte. Und der Bedarf ist groß, wie Werner weiß: „Sogar aus dem Stadt-und Staatstheater wollen Leute bei uns arbeiten, um hier gemeinsam eine neue, freie Form des Theaters zu finden.“ Sogar ein Spielleiter vom Goetheplatz, Jochen Briganzoli nämlich, will in der kommenden Saison gemeisame Sache machen mit dem jungen Ensemble: Eine „freie Oper“ wird schon mal für den kommenden Frühsommer angesagt.

Für solchen Expansions-und Bewegungsdrang reichen die bescheidenen Bretter in der Friesenstraße natürlich schon nicht mehr aus. Werner drängt es zu neuen Theaterräumen — ins Concordia. Eine „freie Spielstätte“ möge es werden, eine Heimstatt u.a. für das TAB, für die freien Tanztheater, natürlich auch für größere Produktionen des Jungen Theaters selbst. Aber Profil soll's schon haben und „kein Spielplatz“ sein, „wo jeder seine Förmchen am Ende wieder mitnimmt.“ Kurz: Es bräuchte jemanden, „der dort die künstlerische Verantwortung übernimmt“, und wer könnte das bloß sein...? — Genau.

Ohne Staatsknete aber wird's auch hier nicht gehen. Auch, wenn sich die Jungen keineswegs bloß auf den Kulturhaushalt verlassen: „Sponsoring“ ist für sie kein Zauberwort mehr, sondern Realität. Die Liste der privaten Gut- und Geldgeber reicht vom Maurermeister aus dem Viertel, der am Bühnenbild mitschuf (Gegenleistung: eine Erwähnung im Programmheft) bis zum Zigaretten- Multi, der Geld für Gastschauspieler und — regisseure gab (Gegenleistung: ein gespielter Reklame- Spot in Faßbinders „Anarchie in Bayern“). Der Sponsor wolle künftig größer einsteigen — Werner nennt eine Summe von 50.000 Mark. Bedingung: Die Existenz des Jungen Theaters muß langfristig gesichert sein - durch die Stadt.

Aber die schweigt stille. Und trotzdem wird in der Friesenstraße gespielt, gerast, gepowert, so lange es eben geht: „Es wird kein jahrelanges Versiegen geben, wie bei anderen Gruppen“, verspricht Werner; „irgendwann wird es mal krachen, und dann ist es wieder so schnell vorbei, wie es angefangen hat.“ Thomas Wolff