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„... und die SPD weiß nicht so genau“

■ Ist die Ampel eine Alternative zur Großen Koalition? (2) Interwiev mit dem FDP-Poliker Jäger

Ist die Bremer Ampel noch mehr als ein Bündnis in der Not?

Claus Jäger: Man muß erst einmal fragen: Wie ist sie denn entstanden? Sie ist ja nicht entstanden, weil die große politische Idee dahinter stand...

Die Bedeutung einer Konstellation kann ja über ihre Entstehungsgeschichte hinauswachsen.

Den Ausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie und sozialer Verpflichtung, das haben wir ihr nach Abschluß der Koalitionsverhandlungen als politischen Inhalt gegeben. Entstanden ist sie, weil keine politischen Mehrheiten da waren. Sie war schon ein Zweckbündnis, von dem die Partner aber meinten, daß der bloße Zweck der Mehrheitsbildung nicht trägt für eine Dreierkonstellation. Das sehe ich auch so: Sie bedurfte einer inhaltlichen Legitimation. Die ist beschrieben worden in der spannenden Herausforderung: Wie kann ich Wirtschaftswachstum erhalten und damit auch die notwendigen ökologischen Reparaturen finanzieren und gleichzeitig eine soziale Ausgewogenheit sichern? Das ist unsere Aufgabe.

Auch unter den Bedingungen des Sanierungsprogramms?

Wir konnten damals nicht so deutlich sehen, daß wir den Nachholbedarf an Infrastruktur, Gewerbeerschließung, Baumaßnahmen haben, und dieses in einer Konstellation, in der ein Partner sagt, daß das jetzige bereits zu viel ist. Das ist die Spannung der Ampel, von dem Persönlichen mal abgesehen.

Bei der Definition der sozialen Verpflichtungen gibt es in Deutschland eine grundsätzliche Infragestellung der weitreichenden staatlichen Betreuungspflicht, die für die SPD- Programmatik seit den 60er und 70er Jahren bestimmend war. Das wird in Bremen nicht von der Sozialsenatorin debattiert, sondern von anderen.

Da haben wir den größten theoretischen Nachholbedarf. Wir stellen ganz allgemein fest, daß unsere sozialen Sicherungssysteme die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft überfordern. Wie können wir das, was der sozialen Verpflichtung des Grundgesetzes entspricht, retten und bezahlbar machen? Wir ha

hier bitte den

Herrn mit der Hand

vorm Gesicht

Claus Jäger, Wirtschaftssenator, FDPFoto: Jörg Oberheide

ben auch in Bremen ein enormes Anwachsen der Ausgaben, und von der fachlichen Ebene höre ich nicht, wie wir es denn machen sollen. Ich höre nur: Das ist so, das sind gesetzliche Ansprüche, und nun zahlt mal. So rutschen wir immer wieder in einen neuen Verteilungskampf rein. Wir werden auch in diesem Jahr eine gewaltige Deckungslücke bei den Sozialausgaben haben und niemand sagt, wie sie geschlossen werden kann.

Kann man mit den Grünen koalieren und gleichzeitig sagen: Für die Sanierung der Kieselrotflächen gibt es kein Geld?

Wenn diese Flächen ein großes Risiko bedeuteten, würde niemand diese Verantwortung auf sich nehmen. Ich stelle nur fest: In Bremen wird das Problem kritischer, ängstlicher gesehen als anderswo. Die Nordrhein-Westfalen zum Beispiel sehen das sehr viel entspannter. Aber das hängt sicherlich mit dem Staatsrat hier zusammen. Aber damit sanieren wir auch nicht den Haushalt, wenn wir da vier oder fünf Millionen sparen.

Gibt es eigentlich ein oder zwei Vorzeigeprojekte, wo ökologisch intelligente Wirtschaftspolitik praktisch gemacht worden ist?

Das Integrierte Flächenprogramm. Das ist ein Vorzeigeprojekt. Wir haben da einen neuen Ansatz, was die Behandlung von Altflächen angeht. Wir brauchen im Bremer Osten ein Flächenangebot, deshalb die Hemelinger Marsch. Wenn wir eine vergleichbare Brachfläche dort hätten, dann könnten wir fragen: Wieviel zusätzliches Geld ist uns das wert? Aber diese Frage stellt sich dort nicht. In anderen Stadtteilen geben wir viel Geld aus in Reak

tivierung von belasteten Flächen. Natürlich gibt es da Grenzen, weil das ein Mehrfaches kostet, und das Geld muß erwirtschaftet werden.

Sie haben also den Eindruck: Die Ampel steht ganz gut...

Nein. Die Gewerbeflächenproblematik ist ein Beispiel dafür, wo es nicht klappt. Es ist ein Jammer, daß wegen der zugespitzten Auseinandersetzung um die Marsch für die Öffentlichkeit dieser positive Ansatz des Integrierten Flächenprogramms verschüttet worden ist.

Aber insgesamt funktioniert die Ampel?

In der Verkehrsfrage funktioniert sie auch nicht. Wir haben einen respektablen Koalitionsvertrag und ein gutes Sanierungsprogramm, jetzt müssen die Bagger kommen. Und da gibt es die Schwierigkeiten. Beim Hemelinger Tunnel kam es nun nicht von den Grünen, sondern von dem Bau-Staatsrat. Weser-Tunnel, immer wieder hinhaltender Widerstand. Ich kann das ja nachvollziehen, daß eine Partei, die entsiegeln will, nicht gerne Partner beim Versiegeln ist. Aber andererseits muß man akzeptieren, das das, was verabredet ist, auch getan wird.

Ist da das das Umweltressort die bremsende Kraft oder nicht vielmehr das Bau-Ressort?

Bei dem Staatsrat habe ich das Gefühl, daß da mal so und mal so argumentiert wird. Da ist jemand, der noch zu sehr seiner alten Funktion verhaftet ist. Das haben ja auch andere, daß sie, wenn sie ein neues Ressort haben, bei dem alten häufig die Dinge besser wissen.

(zur Erläuterung der Andeutung: Bau- Staatsrat Lüthge (SPD) hat langjährig das Umwelt-Ressort aufgebaut, Red.)

Das ist aber auch ein Konflikt quer durch die SPD!

Ja, das ist leider nicht so deutlich geworden. In der SPD gibt es zwei Richtungen. Man kann nie sagen: Für welche der beiden Richtungen entscheidet sich die SPD? Sie neigt dazu, die harte Entscheidung vermeiden zu wollen. Das hat auch die Gewerbeflächendiskussion erschwert. Immer hin und her, keiner wußte Bescheid. Genauso beim Ausbau der A 281. Das macht den Unsicherheitsfaktor dieser Koalition aus: Oft haben die Grünen eine Position, die FDP die andere, und die SPD weiß nicht so genau. Übereinstimmungen zwischen Grünen und FDP ergeben sich aber immer dort, wo es um die gemeinsame Skepsis gegenüber großen Einheiten und alten Strukturen geht. Da sind wir eher Partner. In der SPD bewegt sich da auch einiges, da sind wir auf einem guten Weg.

Gibt es gewichtige FDP-Politiker in Bonn, die intern sagen: Lieber eine Ampel mit der SPD als weiter mit Kohl?

Bei Beginn der Ampel waren unsere Bonner sehr zurückhaltend. Im Laufe der Zeit hat sich das gewandelt. Auch weil keiner sagen kann, ob es in Bonn noch lange tragfähige Zweiermehrheiten geben wird, außer der Großen Koalition. Ich bin sicher: Die CDU befaßt sich auch mit solchen Konstellationen, in anderen Bundesländern. In Baden-Württemberg sind sie noch zurückgeschreckt, aber auch für die CDU gibt es da kein Tabu mehr.

Schreckt die Bremer Ampel nicht ab?

Ich habe unseren Bonnern immer gesagt: Die besondere Problematik des Stadtstaates ist, daß eine Landesregierung auch Stadtrat ist und konkret bauen muß. Das macht es in Bremen schwerer. Den Niedersachsen ist es immer gelungen, auf der Landesebene pragmatische Kompromisse zu finden im Sinne der wirtschaflichen Entwicklung des Landes. Auf der lokalen konnten sich die Grünen und die ökologischen Gruppen Ventile schaffen. Diese zwei Ebenen haben wir in Bremen nicht. Deswegen sage ich: Wenn es in Bremen nicht klappt, muß das nicht heißen, daß dieses politische Bündnis keine Alternative ist. Int.: K. W.

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