Olympischer Gedanke im studierten Kopf

■ Weltspiele der Studenten im US-amerikanischen Buffalo / Viele wollen bei der 17. Universiade nicht nur gewinnen, sondern auch den Spaß am Sport wiederfinden

Berlin (taz) – Nicht immer sind Sponsorenverpflichtungen unangenehmer Natur. Davon konnten sich die Mitglieder der deutschen Hochschulsportequipe überzeugen. Eine bekannte Frankfurter Brauerei hatte die Studentensportler zum Teamabend in das Restaurant ihres gleichnamigen Turmes eingeladen, damit sich die Crew schon vor der Abreise zur Universiade etwas beschnuppern konnte. Denn Fechter aus Bonn dürften Brandenburger Ruderern bisher kaum über den Weg gelaufen sein. Das hat die Mannschaft allerdings nicht daran gehindert, vorher schon die Initiative „Studenten gegen Rassismus“ aus der Taufe zu heben, die mittels der Teamkleidung präsentiert werden soll. „Wir wollen damit unaufdringlich, aber unübersehbar Stellung beziehen zu den jüngsten rechtsradikalen Erscheinungen in Deutschland.“

Das 222köpfige Aufgebot vertritt den Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband (ADH) bei der XVII. Universiade in Buffalo/USA. Die Weltspiele der Studenten sind das zweitgrößte Multisportereignis nach den Olympischen Spielen mit diesmal über 7.000 Teilnehmern aus ca. 120 Ländern. Ausgetragen werden die Wettkämpfe in der Leichtathletik, den klassischen Mannschaftssportarten, Tennis, Rudern, Schwimmen, Turnen und erstmals auch im Baseball. Doch was die Atmosphäre und den olympischen Gedanken angeht, scheinen sie Olympia selbst inzwischen locker überholt zu haben.

„Natürlich will ich ordentlich springen“, erzählt die Leipziger Wasserspringerin Brita Baldus, „doch darüber hinaus ist die Universiade auch eine Gelegenheit für mich, einmal andere Sportarten kennenzulernen.“ Die 28jährige ist sozusagen die „Veteranin“ unter der deutschen Equipe. 1987 in Zagreb sprang sie noch für die DDR vom Ein- und Drei-Meter-Brett. Die Olympia-Dritte von Barcelona weiß, wovon sie spricht, wenn sie sagt: „Ich habe eigentlich nur bei den Universiaden wirklich Zeit gehabt, mich auch mal mit Sportlern außerhalb der eigenen Disziplin zu unterhalten. Bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften ist der Leistungsdruck viel zu groß, um auch nebenbei noch ein bißchen Spaß zu haben.“

Im übrigen aber gehören deutsche Spitzensportler nicht gerade zu eifrigen Hochschulbesuchern. Wobei die Gründe dafür nicht unbedingt in der mangelnden Intelligenz dieser Spezies zu suchen sind. Doch anders als in den Vereinigten Staaten etwa, wo der Collegebesuch obligatorisch und somit ein zentraler Bestandteil der sportlichen Entwicklung ist, entscheiden sich deutsche Sportler ganz individuell für ein Studium. Häufig bedeutet dies für die einzelnen eine schwierige Doppelbelastung, die nur selten als solche Beachtung oder Förderung findet.

Wohl nicht zu Unrecht fühlen sich die Hochschulsportler deshalb in der deutschen Öffentlichkeit unter Wert gehandelt. Schließlich können sie auch Leistungsfetischisten zufriedenstellen: 1970 erzielte Heide Rosendahl mit 6,84 Meter Weltrekord, 1979 gewann Gerd Nagel den Hochsprung und Harald Schmid die 400 Meter, der Schwimmer Michael Groß siegte 1985 über 200 Meter, und 1987 holte Siggi Wentz den Titel im Zehnkampf. In Sheffield erreichte das gesamtdeutsche Team gar 16 Medaillen. Sheffield, das sei die größte Fete überhaupt gewesen, erzählen noch heute diejenigen, die dabei waren.

Derweil bestellt am Nachbartisch der Achter aus Heidelberg eine neue Runde des nach garantiertem Reinheitsgebot produzierten Getränks, während der Ostberliner Ruderer und Geschichtsstudent Steffen Nitsch mit seinem Gegenüber den „Einfluß der Stalin- Note von 1953 auf die deutsche Nachkriegsgeschichte“ diskutiert. Doch egal welche persönliche Neigung, welches Leistungsniveau, alle wollen genießen, was Brita Baldus stellvertretend für alle formuliert: „Dies ist das einzige Sportereignis, bei dem man sich als Herr seiner selbst fühlen kann.“

Wermutstropfen verspritzten zu Beginn der Universiade indes die Veranstalter. Der kompletten libyschen Delegation wurde wegen des US-Embargos die Einreise verweigert, und die Ruderer wurden zu ihrer Überraschung im Handstreich nach Kanada ausquartiert. Noch ärger erwischte es die Österreicher und Slowaken, die man glatt vergessen hatte. Sie mußten in der Akkreditierungshalle campieren. Matthias Kittmann