Friedliche Trauerdemo für Wolfgang Grams

■ Starkes Polizeiaufgebot für 2.000 Demonstranten bei Trauerdemo in Wiesbaden

Wiesbaden (taz) – „Wir wollen unsere Trauer über die Ermordung von Wolfgang Grams ausdrücken. Eine Konfrontation mit der Polizei liegt uns nicht im Sinn.“ Der Appell des „Komitees zur Aufklärung des Todes von Wolfgang Grams“ stieß am Samstag in Wiesbaden nicht auf Widerspruch: Trotz provozierend enger „Begleitung“ der rund 2.000 DemonstrantInnen durch mehr als 2.000 PolizistInnen und trotz „filmischer Dokumentation“ der gesamten Veranstaltung durch den polizeilichen „Doku-Trupp“ kam es nicht zu den „schweren Ausschreitungen“, die vor allem die hessische CDU heraufbeschworen hatte.

Die DemonstrantInnen aus der BRD und dem benachbarten Ausland bewahrten Disziplin – und respektierten so auch die Bitte des Bruders von Wolfgang Grams, der während der Auftaktkundgebung auf dem Luisenplatz dem Wiesbadener Oberbürgermeister Achim Exner (SPD) dafür dankte, daß er dem von der Union vehement geforderten Demonstrationsverbot eine Absage erteilt hatte: „Laßt euch nicht von den hier anwesenden Verfassungsschützern und Mitgliedern der mobilen Einsatzkommandos provozieren. Ich appelliere an die Friedfertigkeit aller DemoteilnehmerInnen.“

Schon in der Nacht zum Sonnabend hatten Polizeikräfte aus der gesamten Republik die Einfallstraßen nach Wiesbaden besetzt und Kontrollpunkte eingerichtet. Nach Polizeiangaben sollen dabei diverse „verbotene Gegenstände“ beschlagnahmt und sieben Personen vorübergehend festgenommen worden sein. Am Hauptbahnhof und rund um den Luisenplatz kam es dann am Samstag zu stichprobenartigen Personen- und Rucksackkontrollen. Als sich nach einem Polizeieinsatz gegen FlugblattverteilerInnen die Stimmung unter den DemonstrantInnen bedrohlich aufzuheizen begann, sorgte der „Roadie“ auf dem Lautsprecherwagen der Demonstrationsleitung für „Entspannung“.

Überhaupt hatte die Demonstrationsleitung den Zug – wie Spötter anmerkten – mit „deutscher Gründlichkeit“ geordnet: „Erst kommen die Angehörigen der politischen Gefangenen, dann die Genossen aus Wiesbaden und Mainz. Danach der Lautsprecherwagen und dann die Leute aus dem Rhein-Main-Gebiet. Die ausländischen Genossen folgen dem antifaschistischen Block – und nach ihnen kommen die Norddeutschen und die Berliner.“ In den von der Demoleitung geforderten „Achterreihen“ zog man dann durch die noble hessische Landeshauptstadt. WiesbadenerInnen, die den obligatorischen Samstagseinkauf unterbrochen hatten, um sich den „Aufzug“ aus der Nähe anzuschauen, regten sich allerdings mehr über das stahlhelmbewehrte Sondereinsatzkommando (SEK) aus Bayern auf. „In Rostock haben wir euch nicht gesehen!“, hieß es aus den Reihen der ZuschauerInnen. In kleinen Diskussionsrunden am Rande der Demonstration wurde von den BürgerInnen überraschend viel Verständnis für das Anliegen der DemonstrantInnen geäußert. Es sei eine „echte Sauerei“, daß die Ereignisse in Bad Kleinen auch nach vierzehn Tagen noch ungeklärt seien.

Von einem „bestialischen Mord an Wolfgang“ hatte Verena Lauterbach, die Mutter von Adelheid Schulz, auf der Kundgebung auf dem Luisenplatz gesprochen. An Grams sei der „gezielte Todesschuß vollzogen“ worden. Eva Haule beschrieb – von „Genossen“ mit einem Spruchband vor den Kameras abgeschirmt – Wolfgang Grams als einen Mann, der davon geträumt habe, daß aus der Roten Armee Fraktion tatsächlich einmal eine Rote Armee würde. Wolfgang Grams habe sein „Leben mit der Waffe in der Hand verteidigt – um frei zu sein“.

Weitaus differenzierter hatte sich zuvor der Bruder von Wolfgang Grams geäußert. Die „unnütze Tötung“ sei „zu keinem Zeitpunkt und in keinster Weise gerechtfertigt“ gewesen. Der Bundesanwaltschaft und dem BKA warf Grams „Pietätlosigkeit“ vor. Niemand habe nach der Aktion von Bad Kleinen die Familie benachrichtigt. Und auf Nachfrage – nachdem die Medien berichtet hatten – wollte man weder in Karlsruhe noch in Wiesbaden den Tod von Wolfgang bestätigen. Noch immer sei die Leiche beschlagnahmt, während der tote GSG-9- Mann bereits beerdigt worden sei. Klaus-Peter Klingelschmitt