Nachschlag

■ „Ormindo“ im Hebbel-Theater

Er sang schon als fünfzehnjähriger Knabe unter Monteverdi in der Kapelle San Marco von Venedig, 51 Jahre später trat er die Stelle seines Lehrers am selben Ort an. Da allerdings, 1668, war Venedigs musikalische Blütezeit bereits vergangen, von Francesco Cavalli ist nicht einmal ein Portrait erhalten. Überaus verdienstvoll wäre es also, wenigstens eine der 42 Opern kennenzulernen, die dieser fleißige Mann schrieb. 28 davon sind erhalten. Die „Neue Opern- und Theaterbühne Berlin“ (ein eingetragener Verein) hat mit Marc Piollet am Dirigentenpult den „Ormindo“ einstudiert – offenbar in aller Eile und unter finanziellen Umständen, die dem guten Cavalli und seinem Librettisten Giovanni Faustini nicht unbekannt gewesen sein dürften. Ihre spärlichen Biographien berichten von ewigen Geldsorgen und ruinösen Mißerfolgen. Sie spielten Theater nicht für den Hof, sondern für das Volk der Republik, das keine Gnade kannte.

In dieser Hinsicht hat das freie Musiktheaterprojekt in Berlin weniger zu befürchten. Die Premiere endete mit dem freundlichen Applaus zahlreicher FreundInnen der Mitwirkenden, die am Freitag ins Hebbel-Theater gekommen waren. Die ungelösten Probleme waren dennoch nicht zu überhören. Zur Zeit der Drucklegung des Programmheftes war noch nicht einmal die Besetzung des winzigen Orchesterchens bekannt. Genau so klingt es denn auch: verwaschen, plump und schlecht intoniert.

Schweigen wir von den jungen und noch lernenden SängerInnen. Kaum auszudenken allerdings, was das Volk von Venedig mit ihnen angestellt hätte. Aber diese Zeit war dem Regisseur Alexander Paeffgen nun doch in weite Ferne gerückt. Die Liebeshändel der reichen Fürsten, von denen Faustini auch den Leuten auf den hinteren Rängen erzählte (es waren immer diesselben), sie schienen dem jungen Berliner einem Schachspiel zu gleichen. Ein „Modell“, wie er sagt, beherrscht von unabänderlichen Regeln. So haben Duncan Reusch-Hayler und Patricia Kuhfuß, die für Bühne und Kostüm zeichnen, Cavallis singende Personen in Schachfiguren verwandelt. Schön, ein wenig surrealistisch, ein wenig popig ist ihnen das gelungen, am schönsten beim König, der blau geschminkt in einem gestreiften Holzpanzer steckt. Er muß sich ja wirklich kaum bewegen, die anderen müssen es aber schon und hörbar hatte sich Cavalli Mühe gegeben, in die stereotypen Figuren indivuduell gefärbte Leidenschaften hineinzuschreiben. Sehr bald erweist sich die Regieidee, die das Gegenteil betont, als bloß naheliegend und keineswegs gut. Steifer – und langweiliger – als nötig kommt dieser „Ormindo“ daher; wieder einmal hat es nicht gereicht, eine Oper aufzuführen, es mußte ein bißchen mehr sein. Und wie immer ist weniger als das dabei herausgekommen. Niklaus Hablützel

„Ormindo“ von Francesco Cavalli und Giovanni Faustini, Hebbel-Theater, noch heute und Donnerstag bis Sonntag, 20 Uhr.