Es muß am Spirit liegen

■ Zu alt für HoophoopHooray, zu jung zum Jazz-Traditionalisten: Guru's Jazzmatazz. Versprengte Vibes im Berliner Huxley's

Gang Starr's Rapper Guru wird sich wohl selbst nicht so ganz im klaren darüber sein, wozu er eigentlich das „Project“ (wie er sagt) Jazzmatazz ins Leben gerufen hat. Der ganz gewöhnliche Bass-, Beat- und Break-Bumms von Hardcore oder Raggamuffin-HipHop verkauft mehr Platten als alle Old und New Schools zusammen, die Grenzen der Phatness sind abgesteckt. Die letzten übriggebliebenen Lebend-Samples aus dem Free-Jazz werden sich vom Lärm der Straße nicht aus ihren Konservatorien bewegen lassen. Alles andere führt derweil zu Tanztee und falscher Kumpanei mit der weißen Mittelschicht und wird entsprechend vom Londoner Acid-Jazz-Impressario Gilles Peterson beziehungsweise dem Morris-Minister abgestraft.

Zwischen diesen ganzen Stühlen sitzt nun der Guru. Zu alt zum HipHopHooray, zu jung zum Jazz- Traditionalisten, und der eingeschlagene Mittelweg bringt ihn weder um noch weiter. Zwar hat er zum jazzmatazzenden Trubel Funk-Veteranen wie Roy Ayers, „the Professor of Vibeology“, und „Doctor“ Donald Byrd an der Trompete geladen. Doch die Echtheit des vermeintlichen Unity-Rap wirkt ziemlich konstruiert. Statt vom Band dazugemischt oder satt von der Platte gescratcht, werden die Samples jetzt live in concert gespielt, die extended version der Originale dazu kann man frisch re-released bei Blue Note bestellen. Richtig zusammenkommen wollen HipHop und BeBop jedenfalls nicht.

Unter dem Post-Pop-Slogan der „New Reality“ angekündigt, betreten zunächst nur Guru, ein Begleitrapper und ein sehr schüchterner DJ die Bühne, erst später werden die entscheidenden beiden älteren Herren unter freundlichem Publikumsapplaus vorgestellt. Donald Byrd sieht im schwarzen Schlabberlook der Orientalen ganz fabelhaft aus, das blitzend blank geputzte Messing in seiner Linken spiegelt sich an der Hallendecke wider, sein Lächeln leuchtet selbst den Zuschauern in der letzten Reihe heim. Es muß am Spirit liegen. Sportlich dagegen Roy Ayers, der sich jugendsolidarisch ein Piratentuch um den Kopf gebunden hat, Guru mit hiphoptechnisch geballter Faust begrüßt und sogleich die vier Klöppel seines Vibraphons zum doppelten Friedens-V in die Höhe streckt.

Was es nun aber mit der neuen Wirklichkeit des Jazzmatazz im Speziellen auf sich hat, kann Guru auch nicht so genau erklären. Im Rahmen der Familienzusammenführung sollen zwar Jung und Alt wieder auf einen gemeinsamen Groove gebracht werden, doch die Gesprächsbereitschaft bleibt auf der Bühne eher einseitig: Byrd und Ayers füllen mehr oder weniger diszipliniert die Beats auf, während der DJ jedes Trompetensolo unter den Teppich scratcht. Cool Jazz will bekanntlich Weile haben, doch die Raps sind meistens schneller.

Mitunter entstehen in dieser Kluft zwischen Sound und Erzählung merkwürdig psychedelische Nebeneffekte, als würde ein gewagter Hall auf dem Vibraphon sich erst nachträglich im Kopf mit dem Rhythmus der Worte verbinden. Aber man soll sich nicht täuschen, die Einheit von Geist und Körper ist es nicht, das parliert alles vielmehr sehr ungelenk nebeneinander her. Eher ein gut formuliertes Mißverständnis, dessen Auflösung Guru mittendrin selbst fordert: „Stand back, analyze the fact.“ Also was nun, entweder tanzen oder denken. Der Kopf wird allmählich unruhig, doch die Füße bleiben kalt. Im Freestyle zur Vernunft: Brooklyn hat sich Sloterdijk an die Fersen geheftet.

Erst als sich D.C. Lee, die ehemalige Begleitsängerin des Style Council um Paul Weller, etwas verschämt zu den versprengt jazzhoppenden Herren auf der Bühne gesellt, nimmt der Rummel mit den Vielheiten allmählich Form an. „Trust Me“, auf Platte eine sanftmütig ironische Liebeserklärung, wird auf einmal zur eigentlichen Botschaft des Abends. Fast hat man das Gefühl, als käme in der Inszenierung plötzlich der Alltag zu seinem Recht. Guru wirbt, die Dame singt, das Bandskelett hält sich im Hintergrund bedeckt. Es erinnert ein wenig an die Romanze aus der West Side Story, zu der die Musik vom Nachbarblock herüberweht.

Danach geht der Jazzmatazz in seinem Reimfluß gestärkt wieder zu Drogenhandel und Bandenkriegen über, genau wie im Musical. Die Geschichten vom Bauernhof irgendwo in Tennessee, die Arrested Development erzählen, haben bei Guru ein städtisches Gegenstück in Stories über Ladenhüter mit Schrotflinten gefunden. Und der Jazz kommt wahrscheinlich auch noch mit der Zeit. Harald Fricke

Guru's Jazzmatazz spielen am 16. Juli in München, Panzerhalle, und am 17. Open-Air in Erlangen.