Flüchtlinge im Knast

■ Großbritanniens Asylpolitik kritisiert

London (taz) – Kofi Oseis Alptraum dauerte 18 Monate. Der 33jährige Student der Psychologie und Soziologie wurde im Gefängnis von Akkra in den Jahren 1985 bis 1986 systematisch gefoltert, weil er trotz eines Verbots seine Gewerkschaftsarbeit nicht eingestellt, sondern weiterhin gegen das Militärregime des ghanaischen Diktators Jerry Rawlings protestiert hatte. Dabei hatte er noch Glück: Viele seiner KommilitonInnen wurden für das gleiche „Vergehen“ ohne Prozeß hingerichtet.

Nach seiner Entlassung aus dem Knast wurde Osei ständig überwacht, so daß er 1988 schließlich mit gefälschten Papieren nach Großbritannien flüchtete. Schon bei der Einreise stellte er auf dem Londoner Flughafen Gatwick einen Antrag auf politisches Asyl. Das brachte ihm zunächst drei Tage Aufenthalt in einer Zelle unter dem Flughafen ein. Danach wurde er ins Gefängnis der Stadt Lewes verlegt. Nach vier Tagen ging es ins Internierungszentrum Harmondsworth und einen Monat später in den Latchmere-Knast südwestlich von London.

Insgesamt war Osei vier Monate in Großbritannien eingesperrt. Er mußte Gefängniskleidung tragen und täglich 19 Stunden in der Zelle verbringen. „Niemand erklärte mir, warum ich festgehalten wurde“, sagt Osei. „Außerdem war es unmöglich, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen.“

Oseis Schicksal ist kein Einzelfall, AsylbewerberInnen haben in Großbritannien nichts zu lachen. Jedes Jahr werden mehr als 10.000 Menschen ohne Anklage, Prozeß oder gar Verurteilung auf Anweisung des Innenministeriums ins Gefängnis gesteckt. Das Ministerium entscheidet auch, wie lange diese Menschen festgehalten werden – manche länger als 18 Monate. Das geht aus einem Bericht der Immigranten-Organisation „Joint Council for the Welfare of Immigrants“ (JCWI) hervor, der jetzt veröffentlicht worden ist.

Darüber hinaus, so steht in dem Bericht, seien die Haftbedingungen in vielen Fällen menschenunwürdig. Flüchtlinge werden wochenlang in Arrestzellen auf Polizeirevieren festgehalten, obwohl diese Zellen nur für Kurzarrest konzipiert sind. Andere werden in überfüllte Gefängnisse wie Pentonville gesteckt, wo sie 23 Stunden am Tag in der Zelle eingeschlossen sind. Das schlimmste sei die Ungewißheit. „Sie erhalten nie irgendeine Erklärung“, sagt Mark Ashford, der Autor des JCWI-Berichts. Manche halten den Druck nicht aus: Seit 1987 haben sich vier Asylberwerber das Leben genommen, zahlreiche andere haben Selbstmordversuche gemacht.

Britische Ärzte, die sich auf die Behandlung von Folteropfern spezialisiert haben, stellten nach der Untersuchung von 150 internierten Flüchtlingen fest, daß die Haft „eine unnötige Grausamkeit und Erniedrigung für Menschen“ darstelle, die „ohnehin bereits durch Folter und Verluste gequält worden“ seien. Außerdem warf der JCWI den Politikern Rassismus vor, da die meisten der Internierten schwarz sind. Der JCWI fürchtet, daß die Pläne für ein Internierungslager mit 120 Plätzen in der Nähe von Oxford darauf hindeuten, daß Flüchtlinge auch nach der Verabschiedung der neuen Asylgesetze, die zur Zeit im Unterhaus debattiert werden, weiterhin in die Gefängnisse gesteckt werden. Kofi Osei wurde schließlich als politischer Flüchtling anerkannt. Ralf Sotscheck