Prügel im Abschiebeknast Herne

■ Vorwürfe werden dementiert / Petitionsausschuß lobt Knast

Herne (taz) – „Sie haben uns geschlagen und mit sehr schlimmen Worten beschimpft ... Wir bitten um ihre Hilfe“. Dieser briefliche Hilferuf einiger Insassen der Herner Abschiebehaftanstalt drang schon Mitte Mai nach draußen. Seither gehen Petra Borgschulte, Rechtsanwältin in Gelsenkirchen, und Anne Gudjons-Römer, Ausländer- und Flüchtlingsbeauftragte der evangelischen Kirche in Gelsenkirchen, den Vorwürfen nach. Kemal Myshku, Mandant von Borgschulte, gehörte zu den Unterzeichnern des Briefes. Am 24. Mai 1993 besuchten die Anwältin und die Flüchtlingsbeauftragte Myshku in der Bochumer Justizvollzugsanstalt. Dorthin war der Albaner drei Tage zuvor zwangsweise verlegt worden. Die Schilderungen des Inhaftierten über das, was sich in der Nacht zuvor im Herner Abschiebeknast – offiziell „Hafthaus Herne“ genannt – abgespielt hatte, ließ die beiden Frauen nicht ruhen.

Aus Protest gegen die miesen Zustände in der Haftanstalt hatten sich Myshku und weitere drei Insassen der Zelle Nr. 21 in der Nacht zum 20. Mai in ihrer Zelle verbarrikadiert und „Freiheit, Freiheit“ gerufen. Nach den Worten des Albaners haben die Gefangenen später selbst die Barrikaden abgeräumt und die Zellentür geöffnet. Danach seien Polizei- und Justizbeamte unter massivem Knüppeleinsatz hereingestürmt und alle vier Insassen seien in Einzelzellen verbracht worden.

Ihr Mandant, so hielt Anwältin Borgschulte die Schilderungen in einem Vermerk fest, „mußte sich dann aufs Bett legen und wurde mit Handschellen ans Bett gefesselt. Der Mandant lag in dieser Stellung von ca. 24.00 Uhr bis ca. 7.30 Uhr ... Zweimal während der Nacht wurde er von den Beamten geschlagen, und zwar schlugen sie mit dem Gummiknüppel zu ... Als er gegen Morgen bat, ihn auf die Toilette gehen zu lassen, wurden die Handschellen am Kopfende des Bettes gelöst. Am Fußende wurde er mit einer Hand wieder ans Bett gefesselt und mußte in dieser Stellung die Toilette benutzen. Der Mandant hat mehrere Prellungen davongetragen. Im Rahmen des Besuchstermins zeigte er uns seinen Oberkörper und es sind noch Spuren der Schläge zu sehen.“

Im Auftrag ihres Mandanten stellte die Anwältin gegen zwei Justizvollzugsbeamte Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt. Frau Gudjons-Römer reichte zusätzlich eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Während der Anwältin bis heute nicht einmal ein Aktenzeichen genannt wurde, liegt dem Düsseldorfer Justizminister zu der Dienstaufsichtsbeschwerde inzwischen ein Bericht der Anstaltsleitung vor. Darin wird die Fesselung auf dem Bett bestätigt. Dies sei, so teilte die Pressestelle des Ministeriums auf Anfrage mit, so geschehen, „daß der Gefangene die Toilette benutzen konnte“. Der Schlagstockeinsatz beim gewaltsamen Öffnen der Zellentür sei erforderlich gewesen, „weil die Insassen Widerstand geleistet haben“. Von einer Mißhandlung könne jedoch keine Rede sein.

Überzeugend klingen die Dementis nicht. Tatsächlich häufen sich Beschwerden über die Zustände in der Herner Haftanstalt. Beim „Herner Arbeitskreis gegen den Abschiebeknast“ liegen eine Vielzahl von Briefen vor, in denen inzwischen abgeschobene Asylbewerber von Mißhandlungen berichten.

Ein ganz anderes Bild zeichnete dagegen der Petitionsauschuß des Düsseldorfer Landtags. In einer von den beiden Herner Parlamentarierinnen Gabriele Gorcitza (SPD) und Karin Hussing (SPD) am 24.5.93 verteilten Presseerklärung des Petitionsausschusses wird der Knast in den allerhöchsten Tönen gelobt: „Die Bediensteten bemühen sich im Gegenteil redlich, auf die von ihnen zu betreuenden Menschen einzugehen ...“ Die von vielen Abschiebehäftlingen kritisierte ärztliche Versorgung sei „nicht schlechter als für den ,freien‘ Bürger, denn im Notfall ist selbst nachts sofort ein Bereitschaftsarzt da. Diese Chance hat nicht jeder Kassenpatient auf dem flachen Lande“. Die Verpflegung könne „den Vergleich mit jeder deutschen Studentenmensa aushalten“. Für das Schlagen von Häftlingen – die Vorwürfe des Albaners Myshku waren zu diesem Zeitpunkt öffentlich noch nicht bekannt – habe der Petitionsausschuß „keinen ernsthaften Anhaltspunkt“ gefunden. Am Ende der knapp dreiseitigen Erklärung stellen sich die VolksvertreterInnen dann die Frage, „ob es richtig ist, abzuschiebende Elendsflüchtlinge zeitweilig in Einrichtungen unterzubringen, die eigentlich für Straffällige gedacht sind“. Man müsse überlegen, ob es nicht sinnvoller sei, die Abschiebung „auch ein bißchen für die Weltöffentlichkeit“ zu entkriminalisieren. Walter Jakobs