Noch kein Frieden für Abchasien

Georgien und Abchasien einigen sich auf Waffenstillstandsabkommen, unterzeichnen es aber nicht / Schewardnadse zum weitgehenden Rückzug der Truppen bereit  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Seit nunmehr fast einem Jahr herrscht zwischen Georgien und der abtrünnigen Republik Abchasien ein erbitterter Krieg. Georgien mußte empfindliche Gebietsverluste hinnehmen. Es kontrolliert nur noch den malerischen Schwarzmeerflecken Suchumi und die Kleinstadt Oschamschira. Den Rest der Provinz erorberten abchasische Einheiten, die von Freischärlern aus den nordkaukasischen Regionen Rußlands unterstützt werden. Auch russische „Freiwillige“ sollen auf seiten Abchasiens an den Kämpfen teilnehmen. Sämtliche Friedensinitiativen scheiterten bisher.

In Moskau setzten sich die Kriegsparteien unter der Vermittlung Rußlands jetzt noch einmal an den Verhandlungstisch. Kurz zuvor hatte Moskaus Außenminister Kozyrew eine entschiedenere Haltung Rußlands in dem Konflikt angekündigt. Sollten sich die Kriegsparteien nicht einigen, werde man über beide Seiten ein Embargo verhängen. Am Sonntag war von Georgiens Regierungschef Schewardnadse außerdem die weithin unverständliche Formulierung zu hören: „Es ist schwierig zu akzeptieren, aber vielleicht müssen wir bei der Lösung des Konfliktes eine Kombination aus friedlichen und militärischen Mitteln anwenden.“

In Moskau wurde nun zwar eine Vereinbarung über einen Waffenstillstand ausgearbeitet, unterzeichnet wurde sie aber nicht. Unterdessen laufen die Angriffe Abchasiens weiter. Offenkundig versucht es bis zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandes, das gesamte Territorium unter seine Kontrolle zu bringen. Zugeständnisse Georgiens scheinen als ein Eingeständnis der Schwäche gewertet zu werden.

Die Vereinbarung enthält für beide Seiten heikle Punkte, obwohl Georgien weit größere Konzessionen machen muß. Es verpflichtet sich, innerhalb von zehn Tagen nach Inkrafttreten nahezu alle seine militärischen Einheiten aus Abchasien abzuziehen. In der Hauptstadt Suchumi würden parallel dazu die bis zum Kriegsausbruch gültigen staatlichen Instanzen und Organe ihre Arbeit wieder aufnehmen.

Georgien bekundete seine Bereitschaft, sich auf die Bedingungen einzulassen, obwohl es einem empfindlichen Gesichtsverlust Tbilissis gleichkommt. Da Schewardnadses innenpolitische Gegner jedoch schon lange eine schärfere Gangart gegenüber Abchasien fordern, ist es fraglich, ob er sich nun durchsetzen kann. Andererseits würde der Versuch, mit kriegerischen Maßnahmen den Konflikt zu beenden, das Verhältnis zu Rußland erheblich verschlechtern.

Schewardnadses militärische Zurückhaltung erklärt sich auch aus seinem Wunsch, der internationalen Gemeinschaft gegenüber ein glaubhafter Partner zu bleiben. Suchte Georgien eine kriegerische Lösung, würde der Westen wahrscheinlich die Wirtschaftshilfe noch zögernder handhaben. Ohne ausländische Hilfe kommt Georgien nicht mehr auf die Beine.

Einen Waffenstillstand machten auch die Vereinten Nationen zur Vorbedingung, um ihre Beobachter nach Abchasien zu schicken. Schewardnadse hatte kürzlich selbst angeregt, eine Blauhelmtruppe und russische Einheiten den Waffenstillstand überwachen zu lassen. Inzwischen erklärte Rußlands stellvertretender Außenminister Pastuchow, Abchasien verknüpfe seine Zustimmung zur Feuerpause mit neuen Auflagen. Frieden in Abchasien ist noch lange nicht in Sicht.