Trügerischer Glaube an die eigene Unverwundbarkeit

■ Keiner von den am Montag getöteten Journalisten hat die Gefahr mutwillig gesucht

Natürlich gibt es das: Journalisten, die süchtig werden nach dem Adrenalin-Stoß, der Gefahr mit sich bringt, Reporter, die sich und anderen stets aufs neue ihren Mut beweisen wollen. „Wer nicht bereit ist, ein gewisses Risiko in Kauf zu nehmen, der ist in dem Beruf wohl fehl am Platze“, erwiderte voll leichtfertiger Überheblichkeit kürzlich ein Reporter einem amerikanischen Kollegen in Mogadischu, der ihn vor Heckenschützen auf dem Weg in die somalische Kleinstadt Baidoa gewarnt hatte.

Auch Vorsichtige sind vor Fehlentscheidungen nicht gefeit. Die Furcht, die Konkurrenz könne die „bessere“ Geschichte haben, die eigene Angst habe sich als unbegründet erwiesen und sei daher als hysterisch einzustufen, ist ein Gefühl, das Kriegsberichterstattern ebensowenig fremd ist wie das Entsetzen über sich selbst, wenn sie im Rückblick erkennen, daß sie ein unverantwortlich hohes Risiko eingegangen sind. Eitelkeit spielt dabei ebenso eine Rolle wie der trügerische Glaube an die eigene Unverwundbarkeit, nachdem eine Reihe von prekären Situationen unbeschadet überstanden worden ist. In einer Zeit, in der die Öffentlichkeit sich daran gewöhnt hat, aus jedem Teil der Welt schnell und umfassend informiert zu werden, wäre es pure Heuchelei zu erwarten, Auslandskorrespondenten mögen von der – unvermeidlich gefährlichen – Jagd nach der Aktualität Abstand nehmen.

Aber die Kollegen, die jetzt in Mogadischu getötet worden sind, sind kein unvertretbar hohes Risiko eingegangen. Im Gegenteil: Nach allem, was bisher bekannt ist, haben sie sich besonnen und umsichtig verhalten. Nach dem Angriff US-amerikanischer Hubschrauber auf eine Gegend im Süden der Stadt haben sie versucht, sich vor Ort von den Geschehnissen ein Bild zu machen – nicht etwa während der Attacke. Sie waren begleitet von Anhängern des von der UNO als Verbrecher gesuchten Generals Aidid, denen das Bombardement gegolten hatte und die auf ihrem eigenen Terrain Schutz zu gewährleisten schienen. Sie bewegten sich in einer Gruppe, was das Risiko erfahrungsgemäß – erfahrungsgemäß? – minimiert. Und sie alle kannten sich in dieser oder vergleichbaren Situationen aus. Keiner von ihnen hat die Gefahr mutwillig gesucht.

Der Angriff auf Journalisten fügt dem Bürgerkrieg in dem Land am Horn von Afrika eine neue Dimension hinzu. Bislang waren Reporter als neutrale Beobachter vor Übergriffen weitgehend geschützt. Überfälle, Verletzungen und auch der Tod eines französischen Kameramannes in Mogadischu vor einigen Wochen waren keine gezielten Attacken auf Berichterstatter, sie waren Teil der täglichen Gewalt in Somalia. Das gilt nicht für die jüngsten Ereignisse. Mit Fotoapparaten und Kameraausrüstungen waren die Kollegen als Journalisten zu erkennen. Der Angriff richtete sich gegen sie als Personen, er war nicht Mittel zum Zweck, um Beute zu machen. Es wäre vorschnell, davon auszugehen, daß die Morde von einer bestimmten Bürgerkriegsfraktion gesteuert waren. Anwohner der von US-Helikoptern bombardierten Gegend sprechen von mehr als 80 Todesopfern der UN-Militäraktion – gut möglich, daß einige der Männer und Frauen, die die Reporter mit Steinen, Messern und Schußwaffen niedergemetzelt haben, unmittelbar zuvor enge Freunde oder Verwandte verloren hatten. Die Verbitterung eines Teils der somalischen Bevölkerung scheint einen Grad erreicht zu haben, der befürchten läßt, daß künftig kein Ausländer mehr als Unbeteiligter auf Schonung vertrauen darf.

Die Hautfarbe spielt dabei keine Rolle – auch afrikanische Journalisten sind unter den Opfern. Einer von denen, die getötet wurden, ist Hos Maina, kenianischer Fotograf der Nachrichtenagentur Reuter. Zivilcourage und Solidarität gehörten zu seinen hervorstechendsten Eigenschaften. Zum geflügelten Wort wurde unter Kollegen seine trockene Antwort auf die rhetorische Frage des kenianischen Staatspräsidenten Moi bei einem Fototermin, welches Land in Afrika denn wohl demokratischer sei als Kenia: „Sambia.“

Zäh und tapfer hat Hos Maina persönliche Hürden überwunden. Ein schwerer Autounfall vor drei Jahren hinterließ eine Sprachbehinderung und die teilweise Lähmung eines Armes. Eine langwierige, mühselige Therapie ermöglichte ihm die Rückkehr in den Beruf – und brachte ihm die bittere Erkenntnis, daß er nie wieder ganz der Alte sein würde. Den Spaß an der Arbeit und die Lust am Träumen hat ihm das nicht nehmen können: Filme wollte er gerne machen, später einmal. Ich hätte sie gerne gesehen.