Keiner will nach Stellingen

■ Uni sucht krampfhaft Fachbereiche, die ins ehemalige Philips-Forschungslabor ziehen / Mathematiker und Psychologen lehnen ab / Bleibt nur der Nutzungs-Mix Von Kaija Kutter

Den Ententeich müssen wir sehen. Und die kleinen Kröten. Auf der grünen Wiese neben dem Anwesen von Hagenbecks Tierpark kriecht eins der niedlichen Amphibien. Vor zwei Wochen, erzählt der Informatiker Hans-Joachim Mück, hätten sie zu hunderten vor „Haus F“ gesessen. Dozenten und Studenten sammelten die Tierchen ein und trugen sie in einer gemeinsamen Rettungsaktion zum Teich.

Idylle in Stellingen. Zwischen den wenigen Labortrakten, die der ehemalige Eigner Phillips noch nutzt, hat es sich der Fachbereich Informatik der Uni Hamburg inzwischen gemütlich gemacht. Die Türrahmen rot lackiert, die hellen Räume frisch gestrichen, in denen engagierte Studenten in blauen Jeanshemden vor nagelneuen Mac-, Sun- und IBM-Rechnern sitzen. Na, so ganz neu sind sie nicht. Drei Jahre, erzählt Professor Schmidt, der die Abteilung leitet, die sich mit Daten-Informationsbänken beschäftigt. Die Geräte seien vor drei Jahren von der Stadt gestiftet worden. Jetzt sind sie nur noch ein Zehntel wert. Die Hardware entwickele sich ja so rasend schnell.

Der Professor hat Kaffee gekocht, alle Publikationen auf einem großen Konferenztisch ausgelegt, ein Handbuch wurde sogar in China raubkopiert. Der freundliche Herr will uns gar nicht wieder gehen lassen, in Stellingen kommen nicht so oft Gäste vorbei. Obwohl der HVV seine Buslinien umgelenkt hat, im 10-Minuten-Takt halten die Busse 281 und 181 an der Vogt-Kölln-Straße 30 an.

Ob wir noch was sehen wollen? Die Bibliothek, die Mensa? Zu klein, da noch aus Phillips-Zeiten, genau wie der grüne Hörsaal mit den schicken Polsterstühlen. Damit die Bezüge nicht verschmutzt werden, ist es den Studierenden untersagt, Essen und Getränke mitzunehmen. „Das stört mich sonst sehr“, sagt Hans-Joachim Mück. Der Leiter des Rechenzentrums hat die Bauleitung für den Umzug des Fachbereichs übernommen. Bald, wenn die Mittel bewilligt sind, können auch die restlichen Pavillons bezogen werden, die Dependancen der Uni-Informatiker an der Bodenstedtstraße und der Troplowitzstraße aufgegeben werden. „Wir sind natürlich alle sehr froh, hier endlich zusammen zu kommen“, sagt der Fachbereichssprecher Walther von Hahn. Wer zuerst kommt, malt am besten. Statt der früheren 6.000 Quadratmeter haben die 180 Mitarbeiter und 1622 Studenten künftig satte 11.000 zur Verfügung. Doch obwohl die Informatiker sich so breit gemacht haben, ein Blick auf den Geländeplan offenbart, daß noch Platz ist. Im „Haus G“ zum Beispiel.

Vor dem Trakt stehen noch riesige Stickstoff-Tanks, die an die Arbeit der Phillips-Forscher erinnern. Auch „Haus R“ und das Paterre von „Haus F“ sind noch zu haben. Die 3700 Quadratmeter, hat die Wissenschaftsbehörde ausgerechnet, würden reichen, um den Fachbereich Mathematik aus dem Geomatikum zu holen. Ein Vorschlag, der Anfang Juni heftige Abwehr bei den betroffenen Studenten und Professoren zur Folge hatte. Ein Argument: da sie in andere Fachbereiche hinein Lehre exportieren, seien die zusätzlichen Wege unzumutbar.

Ein Behördenmitarbeiter hat die Zeit mal gestoppt.“ Vom Uni-Campus sind es 30 Minuten hierher“, erinnert Mück. Der Informatiker hat gar die Vision von einem „Campus 2“, der hier entstehen könnte. Der Bau einer größeren Mensa und eines Hörsaal-Trakts ist angedacht, auch bietet die Wiese neben Hagenbeck noch Platz für 10.000 Quadratmeter Neubau. Von Hahn wünscht sich Nachbarn: „Je mehr Kooperationspartner, desto spannender ist es hier.“ Auch den Fachbereich Psychologie, mit dem es interdisziplinäre Projekte gibt, kann er sich als Partner vorstellen.

Doch wer immer vorgeschlagen wird, auf dem „richtigen Campus“ löst die Vorstellung, nach Stellingen verbannt zu werden, regelrechte Allergien aus. Die Mathematiker stäuben sich, die Psychologen ebenso. Bleibt die Stadt am Ende auf den Gebäuden sitzen, die sie für 70 Millionen Mark erstand?

Die Zeit drängt. Die Uni habe über ein Jahr Zeit gehabt zu überlegen, nun müsse sie ein Konzept auf den Tisch legen, sagt Behördensprecher Jenspeter Rosenfeld. Tatsächlich hat sich der Bauausschuß des Akademischen Senats gestern zusammengesetzt, um Uni-Präsient Jürgen Lüthje einen Vorschlag zu machen, damit der wiederum der Wissenschaftsbehörde etwas vorschlagen kann. Das Ergebnis ist noch nicht offiziell bekannt, doch voraussichtlich wird es einen Nutzungs-Mix von mehreren Klein- und Kleinst-Instituten geben.

Fragt sich, ob Senator Hajen dies akzeptiert. Ihm kann nicht ganz egal sein, wer nach Stellingen zieht. Hat doch der Wissenschaftsrat in Köln eine Beteiligung an den Kosten an die Bedingung geknüpft, daß es eine zur Informatik „affine“ Fachrichtung sei. Und stimmt der Bund nicht zu, gehen der Stadt 35 Millionen Mark verloren. In der Uni fühlt man sich für dieses Dilemma nicht ursächlich verantwortlich. Schließlich sei man vor dem Kauf nicht gefragt worden.