„Man wird ja bescheiden“

■ Gespräch mit Kunsthallen-Direktor Salzmann

taz: Was hat sich während Ihrer neunjährigen Tätigkeit von Ihren Vorstellungen verwirklichen lassen, was nicht?

Siegfried Salzmann: Man wird ja relativ bescheiden. Ich hätte mir gewünscht, daß unser Haus am Ende meiner Amtszeit renoviert sein würde und die Sammlung in einem wunderbaren Zustand neu von mir aufgebaut sein würde. Wir haben ein kleines Stück geschafft, ein paar Säle renoviert, das Untergeschoß und das Cafe befinden sich jetzt in besserem Zustand. Was das übrige Haus angeht — da ist noch sehr viel zu tun.

Was war ihre Lieblings-Ausstellung?

Eigentlich habe ich alle Ausstellungen mit einer gewissen Intensität und Engagement gemacht. Eine wichtige Ausstellung, die der Förderkreis finanziert war, waren die Bodenplastiken vor fünf Jahren. Eine ganz neue Form der Skulptur, sowas hat es in Deutschland vorher gar nicht gegeben. Das hat große Reso

nanz unter Künstlern und anderen Interessierten gefunden. In Bremen war das Echo eher dünn, wie denn überhaupt es noch eine lange Zeit dauern wird — und das ist auch das Problem des Museums Weserburg — es noch eine lange Zeit dauern wird, bis hier ein Anpassungsprozeß in Bezug auf die Gegenwartskunst stattgefunden hat.

Für die Klassische Moderne, die Sie in der Kunsthalle ja stark vertreten haben, gibt es alsoeine größere Offenheit beim Publikum?

Ja. Wenn wir Schmidt-Rotluff zeigen, ist das Haus voll. Oder die Rodin-Ausstellung, das war mit 70.000 Besuchern ein riesiger Erfolg, wenn man es von den Zahlen her sieht. Aber ein Museum muß eben auch Ausstellungen machen, wo relativ Wenige kommen, wie z.B. die Bodenplastik, oder einen jungen, unbekannten Künstler. Nur, man muß das sehr kalkuliert machen. Das habe ich hier in Bremen versucht.

Welche Schwerpunkte soll die Kunsthalle denn künftig einnehmen in der Bremer Kunstlandschaft, auch im Verhältnis zum Museum Weserburg und seinen Sammlungen zeitgenössischer Kunst?

Also, einmal haben wir ja eine alte Sammlung von Format, die vom Mittelalter bis ins frühe 20. Jahrhundert reicht. Das zweite ist die Klassische Moderne. Wer die Ausgangspunte der zeitgenössischen Kunst kennenlernen will, der muß schon in die Kunsthalle kommen. Und zum Dritten haben wir sehr gezielt mit der Weserburg abgesprochen, was angekauft wird.

In der Weserburg spielt die US- amerikanische Kunst, insbesondere Pop Art, eine bedeutende Rolle; die Kunsthalle muß da also andere Wege in die Gegenwart suchen?

Die Pop Art wäre doch bei uns gar nicht mehr nachzuholen. Das ist inzwischen alles viel zu teuer geworden. Für einen Jasper Johns muß man heute doch schon Millionen hinlegen. Pop Art hätte man in den sechziger Jahren kaufen müssen. Da war aber weder die Kunsthalle dafür offen, noch waren es die Bremer. Das ist sehr merkwürdig, weil die Bremer eigentlich ein Verhältnis haben müßten zu dieser Art von amerikanischer Kaufmanns-und Konsumkunst. Das hatten sie aber offensichtlich nicht. Das galt nicht als Kunst.

Ich glaube, in Bremen gibt es hier, teils auch durch die Arbeit der Kunsthalle, so ein bißchen eine Blickrichtung nach Frankreich. Das ist so ein wenig das bürgerliche Kunstverständnis des ausgehenden 19. Jahrhunderts, das hier eine Rolle spielt. Dabei sind bestimmte Kunstrichtungen in Bremen vollkommen unter den Tisch gefallen. Der Surrealismus ist ein weißer Fleck auf der Landkarte, von moderner Plastik ganz zu schweigen. Wir geben jetzt in Kürze zum ersten Mal einen Katalog der Plastik heraus; da kann man sehen, wie stark konservativ die Sammlung in Bremen ausgerichtet war, wie

hierhin das Portät

des älteren Herrn

stark die Skulptur hier von der Vorstellung einer Figur geprägt war. Das habe ich während meiner Tätigkeit aufgebrochen und völlig andere Akzente gesetzt.

Aber muß sich die Kunsthalle in Zukunft nicht noch stärker konzentrieren, weniger Ausstellungen machen, dafür besser ausgestattete und besser präsentierte?

Nein. Wir haben heute breit interessiertes und gut informiertes Publikum. Ob das nun sensationelle Ereignisse sind oder weniger sensationelle. All diese müssen die Möglichkeit bekommen, eine Heimstatt für ihre Beziehung zur Kunst zu finden. Da bietet sich das Museum an.

Was muß Ihr Nachfolger an besonderen Fähigkeiten für Bremen mitbringen?

Die Fähigkeit, auch über Bremen hinauszugucken und auch von Stellen und Persönlichkeiten außerhalb Bremens Interessenten für die Kunsthalle zu gewinnen. Ich hatte ja eine Reform der alten Satzung und des Vorstandes des Kunstvereins vorgeschlagen. Die ist nicht zustande gekommen. Dabei sollte ein Kuratorium gegründet werden, das sich eben nicht nur auf einen Bremer Sockel gründet, sondern auch viele Persönlichkeiten von außen heranzieht — auch entsprechend der internationalen Verpflichtung und Verflechtung rer Kunsthalle. Das halte ich für ganz wichtig. Das wird mein Nachfolger sicher zu tun haben.

Und das stößt sich natürlich ein bißchen mit diesen bremischen Verhältnissen. Es gibt eine gewisse Neigung, nicht über den Zaun zu schauen. Und das muß man hier durchbrechen. Sonst wird es zu eng hier. Bremen hat ja auch etwas kleingärtnerhaftes — manchmal ist das sehr liebenswürdig — , in manchen Kreisen der Bevölkerung, aber auch in der hohen Politik. Was da für kleinkarierte Sachen verhandelt werden, das ist schon schlimm. Da muß man aufpassen, daß man nicht in diesen Sumpf gerät. Fragen: T.W.; Foto: J.O.