„Disponiermasse unter 1 Prozent“

■ taz mit dem senatorischen Rotstift unterwegs (4): / Sparen im Sozial- und Jugendressort

Es ist das mit Abstand kostenintensivste Ressort: Für das Haushaltsjahr 1994 ist im Ressort Soziales ein Eckwert für konsumtive Ausgaben von 1,006 Mrd. Mark ausgewiesen für Sozialhilfe, Kindergartenbetrieb, Unterstützung freier Träger, Unterbringung von Asylbewerbern, Pflegesätze etc. Klar, daß sich Sparpolitiker der Arbeitsgruppe Aufgabenkritik in ihrem Abschlußbericht für die Senatsklausur Anfang August nach so einem Braten die Finger lecken.

Das Sozialressort ist im Sinne der neuen Spar-Euphorie ein klassisches „Nehmerressort“. Doch hier mit spitzem Stift zu rechnen, ist schwierig: Der größte Teil der Aufgaben, die das Sozialressort erfüllt, ist gesetzlich geregelt und muß Bundesnormen erfüllen. Noch mit Schauer dürfte sich das Finanzressort erinnern, daß das Parlament im Novermber 1992 in einer Aktuellen Stunde über einen Mehrbedarf für Sozialhilfe in Höhe von knapp 50 Mio. Mark diskutierte, weil das Finanzressort die veranschlagten Werte am Jahresbeginn gedeckelt hatte. Auf Sozialhilfe besteht ein Rechtsanspruch.

Ähnlich liegt das Problem bei den Ausgaben für Kindertagesheime. Rund. 1.500 Absagen hat es in diesem Jahr für die drei- bis sechsjährigen gegeben. Grund genug für die Sozialsenatorin, Trost zu Spenden, wenn schon die Plätze nicht ausreichen und auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Versorgungsquote von 95 % Prozent im Jahr 1995 hinzuweisen. Darauf wiederum meldete sich der Finanzsenator und mahnte aus Spargründen eine Überprüfung der Versorgungsquote im Koalitionsvertrag an. Der Konflikt ist vorprogrammiert, wird aber nicht in Bremen gelöst: Ab 1996 nämlich schreibt das Schwangeren- und Familienhilfegesetz bundesweit eine Versorgung der drei- bis sechsjährigen Kinder von 95 Prozent vor. Dabei sind dem Vernehmen nach bundesweit 3,5 Jahrgänge zu berücksichtigen, genaugenommen als die drei bis sechseinhalbjährigen, was die zur Verfügung zu stellende Platzzahl in Bremen erneut erhöhen dürfte.

„Die Disponiermasse liegt bei uns unter einem Prozent“, heißt es im Sozialressort, das selbst noch keine offizielle Stellungnahme zu den Sparvorschlägen der Arbeitsgruppe Aufgabenkritik abgegeben hat. Die will u.a. noch im Sozialressort beim Ausbau der Kindertagesheime und in der Jugendhilfe sparen.

Allerdings wird derzeit im Auftrag der Behörde ein Gutachten gebastelt. Prof. Johannes Münder vom Institut für Sozialpädagogik an der TH in Berlin soll herausfinden, ob und wo in Bremen neben der Regelversorgung in der Sozial- und Jugendhilfe überdurchschnittlich Geld ausgegeben wird. Möglichkeiten eröffnen sich vor allem bei Posten, die nach Ermessen bewilligt werden können, wie einmalige Leistungen für Sozialhilfeempfänger, Kleiderpauschalen, Sachleistungen etc. Für den Finanzsenator interessant dürften auch die Überprüfungen in den Bereichen sein, bei denen das Land Bremen als Träger auftritt: Darunter fallen u.a. das Landespflegegeld für Behinderte und Blinde sowie Leistungen für Behinderte, Pflegebedürftige und Personen mit sozialen Schwierigkeiten. Außerdem soll Münder die Bremer Extras mit Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und Hamburg vergleichen. Das Gutachten erwartet die Behörde Ende August/Anfang September, also erst nach der Senatsklausur.

Auch über die Einführung von sog. Mengengerüsten, wie sie die Arbeitsgruppe Aufgabenkritik angeregt hat, ist man in der Sozialbehörde skeptisch. Mengengerüste sollen die Aufstellung einzelner Haushaltsposten „transparenter“ machen. Aber: Indikatoren für die Entwicklung von Fallzahlen in der Sozialhilfe sind kaum überschaubar. Ändert sich auch nur ein Indikator, muß eine neue Rechnung aufgemacht werden. „Insgesamt können wir die Deckungsfähigkeit auf plusminus ein Prozent vorausberechnen, weil wir zwischen den Posten etwas verschieben können. Wenn das enger wird, müssen wir für jede Veränderung den Haushaltsausschuß anrufen“, heißt es aus der Behörde. mad