Durchs Dröhnland
: Ganz weich ums Herze

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Manchmal fragt man sich ja wirklich, warum zum Teufel sich die versammelte Kritikerschar ausgerechnet Lenny Kravitz ausgeguckt hat, um mit ihm das Soul- Revival mächtig einzuläuten. Vor allem, wenn man Salomé hört und dann noch feststellt, daß die aus Metz in Frankreich kommen. Da flunkern die Gitarren mindestens ebenso waberig, fieselt der Baß hektisch, synkopiert das Schlagzeug zuckend, röhren die Chorusse lieblich und schmelzt die Stimme, daß einem weich ums Herze wird. Wahrscheinlich gibt's noch Tausende wie sie, und Freund Kravitz war einfach mal wieder einer von denen, die das bessere Gesicht am passenderen Ort in die Höhe reckten (Metz!). Aber nun gut, hier erstmal die französische Antwort auf Lenny Kravitz ohne Beatles und mit weniger Hendrix (Nebenfrage: Was bleibt da noch? Eben, Soul!). Allzu französisch, genauer gesagt eigentlich gar nicht, klingt Salomés Funk und kommt aber auch nicht ohne ein schwarzes Gesicht aus. Über dem gnadenlos soliden Funkgerüst wird hin und wieder auch hemmungslos der Jazz losgelassen, das sollen dann wohl die Stellen sein, wo das Publikum sich von den flimmernden Gitarrenriffs erholen soll. Vornehmlich wird an diesem Abend aber der Schweiß flimmern.

Am 16.7. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

Es gibt Menschen, die haben 30, 40 Platten von den Rolling Stones im Schrank stehen und dazu noch einen Koffer voller Bootleg-Tapes. Manche von diesen Menschen nenne ich Freunde, auch wenn ich sie hin und wieder nicht verstehe. Aber tatsächlich wurde und wird kaum eine Band wohl immer noch so ausschließlich und dogmatisch verehrt wie diese. Eigentlich ein Wunder, daß bisher eine Rolling Stones Revival Band, die diesen Namen auch trägt, noch nicht existiert. Immerhin gibt es die eine oder andere Kapelle, die die einschlägigen Hits nachspielt, aber die benennen sich wohl aus respektvollen Gründen meist nur nach Songs von Jagger und Richards. Nicht einmal das wagten die Pearls At Swine, und sie selbst sehen sich wohl auch kaum in dieser Tradition. Allein, ihr alles beherrschender Einfluß ist nur sehr schwer zu überhören. Die Berliner schreiben zwar eigene Songs, aber für die findet sich jeweils auch ein besseres Pendant in der Stones- Geschichte. Mit viel Liebe zum Detail bemühen sie sich vor allem um einen solide krachigen Sound, der nach müllplatzreifen Röhrenverstärkern riecht und den güldenen 60ern möglichst nahe kommen möchte. It's only Rock'n'Roll but blah blah... Am 17.7. um 22 Uhr im Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Zu einem guten Zweck sollen hier sogar mal Plan B wohlwollend angekündigt werden. Bei einem Benefiz-Festival gegen Rassismus treten die Berliner Rockmusikanten, die immer öfter ihrem Kindertraum, Astronaut zu werden, musikalischen Ausdruck verleihen, zusammen auf mit Friends of Carlotta, Schattensprung, Conny's Delight, Feierabend, Koroshi u.a. mehr.

Am 17.7. um 17 Uhr in der Alten TU-Mensa, Hardenbergstraße 34, Charlottenburg

Auch er pflegt sich in edlen Zwirn zu kleiden wie seine Brüder Branford und Wynton. Doch Delfeaye Marsalis tut sich immer noch schwer, aus dem Schatten der beiden älteren zu treten. Hervorgetan hat er sich bisher hauptsächlich bei den Soundtracks für diverse Filme von Spike Lee, das erste Solo-Album des Posaunisten ist noch nicht allzu alt geworden. Lange war er für seine Brüder und andere wie Courtney Pine als Produzent tätig, bevor er überhaupt daran dachte, eigenständige Musik zu machen. Komischerweise klingt diese dann wesentlich bodenständiger als die seiner Brüder, mehr verhaftet in den Bebop-Traditionen als die zuletzt sehr durchkomponierten Platten von Wynton. Nur hin und wieder blitzt auch zu sehr der versierte Handwerker und dienstbare Geist auf.

Am 20.7. um 22 Uhr im Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg

Als Alfred Hilsberg, wie er es schon zu Beginn der 80er Jahre getan hatte, einen Sampler zusammenstellte, der die „Geräusche für die 90er“ auf den Punkt bringen sollte, ergab es sich, daß ausgerechnet die zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannten Four Star Five den besten Song beisteuerten. Gerade einmal eine Single hatte die Band vorher gemacht, niemand kannte sie, aber fortan interessierte sich kaum noch jemand für Hilsbergs Entwurf der angelaufenen Dekade, sondern nur mehr für die Balladen von Four Star Five, die genau das waren, was man so gerne zartbitter nennt. Inspiriert von Filmmusiken erzeugten sie – obwohl sie der Songstruktur immer treu blieben – durch eine geradezu perfide Dramaturgie kleine musikalische Geschichten. Da war mehr als nur Ab- und Aufschwellen, eindringliche Artikulation oder perfekter Songaufbau. Es war, als würde man die Geschichten verstehen, ohne den Text hören zu müssen. Four Star Five haben eine CD gemacht, neue Geschichten erzählt und spielen wieder live. Besuchen Sie doch wieder einmal ein Lichtspielhaus.

Am 22.7. um 20 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Thomas Winkler