Drei Arbeiter stürzten 120 Meter in die Tiefe

■ Ursache des tödlichen Unfalls noch unklar / Sozialsenatorin Stahmer kündigt verstärkte Kontrollen auf Baustellen an

Tödlich verunglückt sind am Mittwoch nachmittag drei Bauarbeiter, als sie in einem Schornstein des Heizkraftwerks Lichtenberg von ihrer Arbeitsplattform aus 120 Meter Höhe abstürzten. Sie waren nicht angeseilt, da die 12 Quadratmeter große Bühne den Schornstein komplett ausfüllte, teilte Kraftwerksleiter Ernst Reichstein mit. Die Ursache und der Hergang seien noch ungeklärt. Die Untersuchungen im 160 Meter hohen Schornstein würden extrem schwierig, erklärte Eginhard Wonneberger vom Landesamt für Arbeitsschutz und Technische Sicherheit (LAfA). Die Bühne, aus der ein Viertel herausgebrochen ist, sei nicht bewegt worden, „damit keine Beweismittel zerstört werden“.

Sozialsenatorin Ingrid Stahmer, der die LAfA untersteht, kündigte gestern an der Unfallstelle an, „die Intensität der Kontrollen auf den Baustellen in Berlin“ zu verstärken. Durch das Unglück an der Rhinstraße sei die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle in diesem Jahr bereits auf neun gestiegen, im ganzen Jahr 1992 seien es acht gewesen. Da „Berlin zur größten Baustelle Europas wird“, müsse vermieden werden, daß die Zahl der Todesfälle entsprechend ansteige.

Ob aber der tödliche Unfall im Schornstein der geschlossenen Müllverbrennungsanlage durch zusätzliche Kontrollen hätte verhindert werden können, ist fraglich: Erst am 6. Juli hatten Fachleute die Sanierung überprüft. Vertreter der Leipziger Spezialfirma Ooms-Ittner betonten, daß der 52jährige Vorarbeiter und die 41- und 42jährigen Facharbeiter erfahrene Schornsteinbauer gewesen seien. Jürgen Beyer, Vorstandssprecher der Energieversorgung Berlin AG (EBAG), nahm die Firma in Schutz: Das Unternehmen sei ihm „als qualifizierte Fachfirma bekannt, es gab nie Beanstandungen“. Beyer warnte vor Spekulationen: Bis das Gerüst untersucht sei, könne nicht abgeschätzt werden, ob es sich um Materialfehler oder menschliches Versagen handele.

Die Leitung der Ermittlungen hat die Kriminalpolizei übernommen. Es müsse geprüft werden, „ob Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz“ der Grund gewesen sei, erklärte Polizeisprecher Bernd Mollenhauer gegenüber der taz. Vermutlich werde man dazu einen Hubschrauber einsetzen, um sich so der beschädigten Arbeitsbühne zu nähern. Dem widersprachen Wonneberger und Beyer: Da Gründlichkeit jetzt wichtiger als Tempo sei, werde über den Außenaufzug eine neue Plattform auf dem Rand des Schornsteins gebaut. Zunächst sollten die Experten „untersuchen, ob die Bohlen, die wir unten kaputt gefunden haben, schon oben oder erst unten durch den Aufprall zerstört wurden“. Christian Arns