■ Standbild
: Nicht explizit genug

„Der hohe Preis der Utopie“, Mittwoch, 21.45 Uhr, HR/ARD

„Das Ende ist bekannt.“ Und während auf der Mattscheibe nochmals die Bilder von flüchtenden DDR-Bürgern im Sommer 89 laufen, dürfte sich bei manch östlichem Fernsehzuschauer die Warnung der Ansagerin bewahrheitet haben: „Vergangenheit tut weh.“

Optimistische Menschen schwenken rote und blaue Winkelemente – mit diesem für Westfilmer obligatorischen Einstieg beginnt Norbert Westenrieder seine Dokumentation. Der DDR-Staatsbankrott am Beispiel des EKO Eisenhüttenstadt. Arbeiter demontieren dort jenes Werk, wo in den 50er Jahren alles so hoffnungsfroh begann. In betont sachlichem Stil zeigt er kurz und knapp die Geschichte der DDR aus ökonomischer Sicht auf. Zwischen historischen Bildern kommen auch immer wieder DDR-Wirtschaftsleute zu Wort. Erwartungsgemäß geißeln sie das starre Preissystem und Mittagsche Pascha-Allüren als Hemmnisse. Frauen vom Nähmaschinenbetrieb berichten über das, was DDR-Nostalgikern Oberwasser gibt: Kinderkrippen und -gärten sowie medizinische Betreuung und Ferienlager waren garantiert und preiswert, die Mieten auf dem Niveau der 30er Jahre.

Doch bei all der präzisen Erzählung gelingt es Westenrieder nicht darzustellen, warum dies nur auf tönernen Füßen stand. Legt er doch nur die marktwirtschaftliche Elle an, anstatt nachzufragen, warum sozialistischer Wettbewerb und Neuererbewegung so ohne jeglichen wirtschaftlichen Nutzen blieben. Die Frage nach grundsätzlichen Unterschieden zwischen Ost- und Westwirtschaft wird nicht gestellt. Stillschweigend geht Westenrieder davon aus, daß es sie nicht gab, in der DDR Staatskapitalismus betrieben wurde. Zweifelsohne richtig. Doch im dunkeln bleibt dadurch, warum sich sozialistische Wirtschaftsvisionen nicht verwirklichen ließen.

So sind denn die Äußerungen des Chefs der ehemaligen Plankommission, Schürer, nichts weiter als die Eingeständnisse von Mißmanagement, wie es selbst in den besten West-Unternehmen vorkommt. Nur wird dort niemand über Jahre marktwirtschaftliche Regeln vernachlässigen. Und eine dermaßen alte Führungscrew wie das DDR-Politbüro ist hier aus gutem Grund auf den einflußlosen Ehrenplätzen anzutreffen. Hätte Westenrieder dies so explizit ausgesprochen, die Ansagerin hätte zu Beginn sagen müssen: „Der Blick in die Vergangenheit kann tödlich wirken.“ Frank Sturm