■ Das Portrait
: Ion Iliescu

Es gibt kaum eine Demo in Rumänien, auf der nicht auch die Losung „Nieder mit Iliescu!“ skandiert wird. Trauer, Haß, und Enttäuschung spiegeln sich hier wider. Doch Ion Iliescu (63), der im Dezember 1989 eine bis heute geheimnisumwitterte Rolle beim Sturz des Ceaușescu-Regimes gespielt hat, sitzt fest im Sattel. Zweimal – 1990 und 1992 – errang er einen überwältigenden Wahlsieg, seither spielt er den „gütigen Landesvater“, von dessen Fernsehgesicht ein immerwährendes Lächeln in weiterhin ungeheizten Wohnungen der Rumänen strahlt. Nachdem die von ihm im Frühsommer 1990 herbeigerufenen Bergarbeiter die Teilnehmer an der Bukarester Marathondemonstration auseinandergeprügelt hatten, dankte ihnen Iliescu in einer überschwenglichen Rede, in der sämtliche Klischees der kommunistischen Funktionärssprache enthalten waren.

Der vor der Wende bei Ceaușescu in Ungnade gefallene hohe Apparatschik galt in den Augen kritischer Kommunisten als Hoffnungsträger einer Perestroika rumänischen Zuschnitts. Aus einem charismatischen Übergangspräsidenten wurde ein demokratischer Dauerpräsident, der von Parteienpluralismus spricht, aber der Opposition unterstellt, den Ausverkauf Rumäniens zu betreiben.

Rumäniens Präsident Iliescu Foto: Henning Kaiser/

Transparent

Der sich als Freidenker ausgibt, aber gleichzeitig vor laufenden Fernsehkameras bekreuzigt. Der vorgibt, die Meinungsfreiheit zu lieben, doch einen kritischen Journalisten tätlich angreift. Der sich überparteilich und tolerant gibt, jedoch seine engsten Verbündeten im Lager der radikal-nationalistischen großrumänischen Partei hat. Sein propagandistischer Zeremonienmeister, der Chef des Fernsehens, Paul Everac, bemüht sich zusammen mit einem ganzen Heer katzbuckelnder Journalisten, diese Widersprüchlichkeiten ihres obersten Dienstherren mit einem Schleier zu bedecken.

Da Iliescu aber auch immer darauf bedacht ist, dem Ausland das Bild einer idyllischen Harmonie zu vermitteln, sah er sich nun genötigt, eine staatliche „Aktion“ gegen die ständig wachsende Zahl neofaschistischer Publikationen zu fordern. Im Hintergrund der politischen Bühne aber wacht die gewendete Securitate. Sie paßt auf, daß die Eitelkeiten des Präsidenten nicht allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen werden. William Totok