Wenn der Milchmüller zweimal klagt

■ Hat ein Grüner den Milchmann aus Aretsried geschädigt?

Augsburg (taz) – Erneut trafen sich am Mittwoch der bayerische Landtagsabgeordnete der Grünen, Raimund Kamm, und die Müller- Milch-Geschäftsleitung vor Gericht. In zweiter Instanz: Beide waren mit einem Urteil des Landgerichts Augsburg nicht einverstanden. Müller-Milch will dem Abgeordneten die Behauptung untersagen, „Müller-Milch verpestet die Umwelt mit giftigem Plastikmüll“.

Genau das aber ist nach dem erstinstanzlichen Urteil weiterhin erlaubt. Die andere Aussage, Styrol, der Grundstoff der Becher, in dem Müller seine Milchwaren verkauft, sei nachgewiesenermaßen krebserregend, wurde dem Grünen unter Androhung eines Ordnungsgeldes untersagt. Kamm bestreitet allerdungs, diese Behauptung je so aufgestellt zu haben, außerdem sei sie nur in einer Teilausgabe der Süddeutschen Zeitung kolportiert worden.

Die Prozeßkosten belaufen sich inzwischen auf annähernd 100.000 Mark, zuzüglich Schadensersatzforderungen von 3 Millionen Mark. Kamm fühlt sich in seiner Existenz bedroht, der Geschäftsführer der Molkerei, Gerhard Schützner, bot einen Vergleich an: Kamm soll die Äußerungen zu Styrol unterlassen und auf einen Boykottaufruf verzichten. Außerdem solle er 100.000 Mark an eine Umweltschutzvereinigung spenden. Dann wäre die Molkerei bereit, auf den geforderten Schadensersatz zu verzichten.

Kopfschütteln bei den Richtern: „Sie haben doch durch die dauernden Prozesse weit mehr Negativreklame als durch die eine Äußerung des Beklagten, gab der Berichterstatter zu bedenken, der außerdem darauf hinwies, daß es wohl nur sehr schwer möglich sein dürfte, dem Abgeordneten Kamm die angeblichen Umsatzrückgänge anzulasten. Eine einseitige Zahlung durch Kamm sei wohl „kein faires Angebot“. Das Gericht werde diesen Vergleichsvorschlag nicht unterstützen. „Wer hier recht hat, ist eine Entscheidung, die am besten vom Verbraucher getroffen werden sollte“, sagte der Vorsitzende Richter. Das Urteil wird am 27. Oktober verkündet. Wer Müller kennt, weiß, daß demnächst der Bundesgerichtshof oder gar das Bundesverfassungsgericht mit dem Fall behelligt werden. Klaus Wittmann