Die Lords ließen die Lady scheitern

■ Das britische Oberhaus lehnt eine Volksbefragung über die Maastricht-Verträge ab / Aber der Zeitplan für die europäische Wirtschafts- und Währungsunion ist wahrscheinlich dennoch nicht einzuhalten

Berlin/London/Straßburg (taz/ dpa/AFP) – In Großbritannien steht der Vertrag von Maastricht vor der letzten Hürde, nachdem das Oberhaus am Mittwoch eine Volksbefragung darüber abgelehnt hat. Die Regierung legte die Abstimmung über die umstrittene Sozialklausel in beiden Häusern des Parlaments auf den kommenden Donnerstag fest.

Baroneß Margaret Thatcher, seit dem Ende ihrer Karriere als Premierministerin Mitglied des britischen House of Lords, hatte dabei flammende Reden für die Durchführung einer Volksbefragung gehalten. „Nun ist das Volk an der Reihe zu sprechen“, sagte sie. „Die Macht liegt schließlich beim Volke.“ Sie begründete diesen plötzlichen Einsatz für basisdemokratische Methoden damit, daß die EG-Institutionen die Souveränität Großbritanniens so stark einschränken würden, daß die Bevölkerung zumindest gefragt werden müsse, ob sie das wirklich wolle.

Die Idee wurde jedoch während der Debatte im Oberhaus sowohl von Vertretern der Regierungspartei als auch der Opposition abgelehnt. Der ehemalige Finanzminister Nigel Lawson, neuerdings ebenfalls in den Adelsstand erhoben, sagte, seiner Ansicht nach würde vor allem eine Währungsunion den Verlust nationaler Souveränität bedeuten. Da aber Großbritannien ohnehin aus dem Europäischen Währungssystem ausgestiegen sei, bestünde hier derzeit keine Gefahr.

Das Ergebnis der Abstimmung war dann aber doch überraschend deutlich: Lady Thatchers Antrag auf Durchführung eines Referendums wurde mit 445 zu 176 Stimmen zurückgewiesen. Das Unterhaus hatte bereits Anfang des Jahres mit großer Mehrheit für den Maastricht-Vertrag entschieden. Beide Häuser des Parlaments müssen aber noch über die Sozialklausel des Vertrags abstimmen. Premierminister John Major will erreichen, daß deren Bestimmungen über Arbeitnehmerschutz im eigenen Land nicht angewandt werden müssen, da die Konkurrenzfähigkeit der britischen Industrie darunter zu sehr leiden würde. Erst nach dieser letzten Abstimmung kann die Regierung von John Major den Vertrag endgültig ratifizieren.

Unterdessen äußerte der amtierende Vorsitzende des Europäischen Zentralbankrats, Wim Duisenberg, daß der Zeitplan für die geplante europäische Wirtschafts- und Währungsunion nur „schwer einzuhalten“ sein werde. Die öffentlichen Defizite der meisten EG-Länder lägen noch weit über der im Vertrag von Maastricht festgelegten Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sagte Duisenberg in der Nacht zum Mittwoch vor dem Europaparlament in Straßburg. Zugleich sprach er sich gegen ein Aufweichen der vereinbarten Konvergenzkriterien aus. Duisenberg, der auch Präsident der niederländischen Zentralbank ist, bezweifelte zugleich, daß das geplante Europäische Währungsinstitut – die Vorstufe der späteren Europäischen Zentralbank – wie vorgesehen zum 1. Januar 1994 eröffnet werden kann. Das Europäische Währungsinstitut, das wichtigste Instrument der zweiten Phase der Wirtschafts- und Währungsunion, soll für eine enge Abstimmung der Währungspolitik der zwölf EG- Länder sorgen und damit den bis spätestens 1999 geplanten Übergang zu einer gemeinsamen EG- Währung vorbereiten. lieb