Ein ALP-Traum für die Altparteien?

Die „Arbeitslosenpartei“ (ALP) will von Osten aus das deutsche Parteienspektrum aufrollen / Vier Millionen Jobsuchende als Wählerpotential / Ein Arbeitsplatz schon geschaffen  ■ Aus Magdeburg E. Löblich

„Arbeitslose aller Bundesländer, vereinigt Euch!“ – Unter diesem Motto könnte der jüngste Sproß der bundesdeutschen Parteienlandschaft antreten, die soeben in Halle aus der Taufe gehobene Arbeitslosenpartei (ALP). Zwar hat der Arbeitslosenverband Deutschlands mit Sitz in Berlin die Gründung dieser neuen Partei scharf kritisiert, aber das ficht den Initiator und Vorsitzenden der ALP, Friedhelm Meusel, nicht weiter an. „Bei der Gründungsversammlung war nicht nur ein regionaler Vertreter des Arbeitslosenverbandes dabei, sondern auch ein Vertreter des Verbandes der Vorruheständler“, sucht Meusel seine Legitimität in der Verbandslandschaft.

Schon zur nächsten Bundestagswahl will die ALP antreten, und Meusel und seine Mitstreiter sind zuversichtlich, daß die Fünfprozentklausel für sie kein unüberwindbares Hindernis darstellt. „Selbst Wirtschaftsminister Rexrodt geht von vier Millionen Arbeitslosen zum Ende dieses Jahres aus“, sucht Meusel hochrangige Zeugen. Das sei doch ein ungeheures Potential. „Wenn uns nur zweieinhalb Millionen Arbeitslose wählen, dann sind wir 1994 im Bundestag drin.“

Dort wollen Meusel und seine Parteifreunde dann Bündnispartner suchen für ihr einziges Ziel: die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Bei so einem Minimalkonsens braucht es nicht zu verwundern, daß sich die Gründungsmitglieder der ALP schon nicht darüber einig wurden, wo denn potentielle Bündnispartner zu suchen seien. Zu einer Abgrenzung gegen Rechtsaußen reichte es nicht ganz, die ALP-Gründer fanden sich auf der Kompromißlinie, daß potentielle Mitstreiter anderer Parteien soziales Engagement bewiesen haben müssen.

Offenbar fand Meusel mit seiner Neugründung eine politische Marktlücke. Innerhalb einer Woche wuchs die Mitgliederkartei der ALP auf 130 eingetragene Mitstreiter an. „Und aus allen größeren Städten und vielen kleineren Orten unseres Landes bekommen wir Anrufe von Menschen, die dort Regionalgruppen gründen wollen“, freut sich Meusel-Mitstreiter Jürgen Hofmann, ein Lehrer im Vorruhestand. Die erste Regionalgruppe wurde gerade in Magdeburg gegründet, weitere Gründungen stehen an, auch in den Altländern.

Arbeitslos muß man nicht unbedingt sein, um bei der ALP mitmachen zu dürfen. Im Gegenteil: Mitglieder in Lohn und Brot sind der Partei genauso recht. Schließlich ist die ALP ein Politpflänzchen, das auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sprießt, „und bei uns galt ja jeder als asozial, der nicht arbeitete“, sagt Hofmann.

Im Bewußtsein der Menschen hier müsse sich trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage erst der Gedanke durchsetzen, daß es in der Marktwirtschaft etwas völlig Normales ist, keine Arbeit zu haben.

Auch Friedhelm Meusel selbst lag vor seinem Schritt in die große Politik nicht dem Arbeitsamt auf der Tasche. Gemeinsam mit einem Partner betrieb er ein privates Fortbildungsinstitut in Halle. Aber Parteiaufbau und Bundestagswahlkampf – das erfordert den ganzen Mann.

Die Bildung will Meusel an den Nagel hängen. „Ich habe meinen Partner gebeten, mir zunächst meinen Jahresurlaub zum Aufbau der Partei zu gewähren“, sagt Meusel und ist ganz erfreut über den ersten konkreten Erfolg, den seine Partei verbuchen kann. „Weil ich jetzt aufsteige, konnten wir einen Dozenten wieder einstellen, den wir gerade wegen der Mittelkürzungen im Fortbildungs- und Umschulungsbereich entlassen mußten“, so der Parteigründer.

Das Programm der Arbeitslosenpartei ist noch sehr offen und paßt bislang auf zwei DIN-A4-Seiten. Und könnte in seinem Kern direkt bei Norbert Blüm abgeschrieben sein. „Es ist doch besser, Arbeitsplätze zu schaffen, als Arbeitslosigkeit zu finanzieren“, faßt Hofmann die Leitsätze der ALP zusammen.

Stärkung des zweiten und dritten Arbeitsmarktes, so lautet die ALP-Forderung, und Meusel freut es besonders, wenn er dafür Mitstreiter aus der Wirtschaft findet wie zum Beispiel die Hamburgerin Christa Frielingsdorf, die lange Zeit als Autoverkäuferin dafür sorgte, daß der gute Stern auf allen Straßen fährt und auch jetzt noch die Finger im Kfz-Zubehörhandel hat.

„Es geht schließlich darum, den sozialen Frieden zu sichern, auch im Interesse der Wirtschaft“, rechtfertigt sie ihr Engagement. Und für dieses Ziel will sie ihr Hamburger Geschäft erst einmal ganz ihrem Partner überlassen. Geld, so gibt Christa Frielingsdorf zu, sei für sie durchaus auch interessant. Auch mögliche Diäten einer Bundestagsabgeordneten.

Vielleicht ist gerade deshalb das Programm der ALP so dünn und dürftig. Mit dicken und komplizierten Polittheorien, das ist den ALP-Aktivisten glasklar, lockt man 1994 ohnehin keinen Wähler hinter dem Ofen vor. Und einen Nichtwähler schon gar nicht.