„Kali ist ein primitiver Rohstoff“

Was für die Treuhandchefin Birgit Breuel einen „Erfolg der Bergleute“ darstellt – das Angebot der Regierung, zwei Jahre Ersatzarbeitsplätze anzubieten –, ist für Heiner Brodhun, Betriebsratsvorsitzender in Bischofferode, nur ein „Lacher“

Die Kali-Fusion wird nicht rückgängig gemacht, das thüringische Bergwerk Bischofferode und drei weitere Gruben werden ab Dezember dichtgemacht.

Treuhandpräsidentin Birgit Breuel sagte gestern in Berlin, daß der Fusionsvertrag zwischen der Mitteldeutschen Kali AG und der Kali + Salz AG Kassel bereits sämtliche Gremien durchlaufen habe und nicht mehr aufgekündigt werden könne. Da sich die Bundesregierung mit der Landesregierung in Thüringen jedoch am Donnerstag darauf geeinigt habe, sämtliche der rund 700 Arbeitsplätze im Werk Bischofferode nach der Schließung für zwei Jahre zu garantieren, bezeichnete Breuel den Fusionsvertrag als einen „Erfolg für die Bergleute“. Der Betriebsratsvorsitzende Heiner Brodhun sieht das anders. Er bezeichnet das Angebot als einen „Lacher“ und kritisierte, daß überhaupt nicht feststünde, wie die 700 Kumpel beschäftigt werden sollen. „Da stehen dann 99 an der Pforte und einer schaufelt.“

Die Kumpel wollen heute darüber abstimmen, ob sie ihren Protest fortsetzen und möglicherweise wollen sich nun auch die Frauen, die tagsüber den Schacht besetzt halten, am Hungern beteiligen. „Mit dem Hungerstreik soll zwar niemand genötigt werden“, sagte Vize-Betriebsratschef Gerhard Jüttemann, „aber die Hungerstreikenden sind fest entschlossen, ihren Kampf fortzusetzen.“

Auch die IG Bergbau und Energie (IGBE) appellierte gestern an die Bischofferoder, ihre Aktion zu beenden. Der Vorsitzende Hans Berger sagte, ihr Einsatz habe es ermöglicht, in Bonn Zusagen zu erhalten, die eine Perspektive für die Zukunft eröffnen. „Der Bundeskanzler selbst hat in unserem Beisein die Einhaltung der Zusagen garantiert“, fügte Berger hinzu. „Vertut diese Chance nicht. Es gibt keine neue.“ Günter Henkel, Betriebsführer unter Tage, bezeichnete das Papier der Bundesregierung dagegen als „Schmähschrift“ und „Optimum an Verhöhnung und Unverbindlichkeiten“.

Die Gewerkschaft argumentiert ebenso wie die Treuhand, daß die Schließungen die einzige Möglichkeit sind, das Überleben der Kali- Industrie zu gewährleisten. Breuel sagte, sie nehme es den Bergleuten in Bischofferode nicht übel, daß „sie nicht eine volkswirtschaftlich vernünftige Position“ einnehmen. Der zuständige Treuhand-Vorstand Klaus Schucht fügte hinzu: „Wir mußten nach der wirtschaftlichen Situation und nach dem wirtschaftlichen Ergebnis eine Entscheidung treffen, und da war Bischofferode nicht zu halten.“

Das Argument, daß das Bischofferoder Salz qualitativ hochwertig sei, ließ Schucht nicht gelten. „Kali ist ein primitiver Rohstoff“, sagte er. „Die Bischofferoder halten sich für Produzenten einer einmaligen Sache, doch Kali ist ein Allerweltsprodukt par excellence.“

Schucht betonte, daß weltweit nicht mehr als 25 Millionen Tonnen im Jahr zu verkaufen seien. Auch der westfälische Unternehmer Johannes Peine, der den Betrieb übernehmen wollte, habe nicht einen einzigen neuen Abnehmer nachweisen können. „Peine ist völlig überfordert, auch wenn es so merkwürdige Verabredungen zwischen ihm und dem Betriebsrat geben soll, wonach zwei Jahre lang auf Lohnerhöhungen verzichtet und bei einer Pleite kein Sozialplan aufgestellt werden soll. Man kann doch nicht auf einen Sozialplan verzichten, wenn der gesetzlich vorgeschrieben ist“, sagte Schucht. Es habe keinen Sinn, den Hungerstreik für eine ungewisse Zukunft mit einem Investor weiterzuführen, der ohnehin nicht länger als sechs bis acht Wochen durchhalten könne, sagte Schucht.

Breuel wies den Verdacht zurück, daß Treuhandmittel letztendlich westlichen Kali-Unternehmen zugute kommen würden. Die von der Treuhand zur Verfügung gestellte Milliarde Mark soll für die Modernisierung der ostdeutschen Standorte eingesetzt werden. „Unsere Beteiligung von 49 Prozent an dem fusionierten Unternehmen sind die Gewähr, daß wir mitkontrollieren können“, sagte Breuel. Schucht haute in die gleiche Kerbe: „Wer sagt, daß Treuhandmittel für die Sanierung des Westens aufgewendet werden, hat entweder keine Ahnung oder behauptet das wider besseres Wissen.“ Allerdings mußte er zugeben, daß sich das Bild später wandeln könnte: „Wenn wir in fünf bis acht Jahren wider Erwarten Verlust machen“, sagte Schucht, „werden beide Unternehmen diesen Verlust nach Maßgabe ihrer Beteiligung tragen müssen.“ Ralf Sotscheck