piwik no script img

Benno frißt Bello? Von wegen!

■ Zwei Mio. Tonnen Schlachtabfälle: Die Tierkörperverwertungsanstalten fühlen sich dennoch nicht ernst genommen

Er würde ja schon gern von seinem Gewerbe erzählen, der Herr Fuchs aus Rothenburg an der Wümme, doch Deutschlands Tierkörperverwerter haben einander fest versprochen, nie wieder Presse reinzulassen — „da kommen dann immer nur so Berichte raus mit der Überschrift 'Benno frißt Bello“. Informationen erteilt nur noch der Bonner Zentralverband, der Verband der Fleischmehlindustrie.

Die Bennos und Bellos machen übrigens nur den geringsten Teil der jährlich zwei Millionen Tonnen Rohware aus. Die toten Haustiere werden von Tierärzten oder den Kleintierkörpersammelstellen der Bremer Bauhöfe angeliefert. Vergraben darf man in Bremen aus wasserrechtlichen Gründen nämlich nur Kleintiere bis zur Größe eines Kaninchens.

„Solange wir Fleisch essen, solange wird geschlachtet, und solange bleibt auch was übrig beim Schlachten“, sagt der oberste Pressesprecher der Tiermehlindustrie, Rechtsanwalt Harald Niemann. „Übrig“ bleibt, was der Schlachthof nicht verkaufen kann: Knochen zum Beispiel, viele Häute, Schnäbel, Schwänze, Ohren und Geschlechtsteile, aber auch Fleisch, das der Fleischbeschauer aussortiert hat.

Gänsehälse - irgendwer wird sie schon noch fressenFoto: Herve Maillet

All diese „Abfälle“ werden unter Luftabschluß bei 133 Grad 20 Minuten lang gekocht — das halten

uch Milzbrandsporen, die bekanntesten Seuchenerreger, nicht aus. Anschließend wird der

hierhin bitte

die Gänsehälse

Fleischbrei getrocknet und in Mehl und Fett aufgetrennt. Knochenmehl, Blutmehl, Fleischmehl und Federmehl werden später an Hühner und Schweine verfüttert. Die pflanzenfressenden Rinder schrecken vor diesem Futter zurück. In England kriegt man sie allerdings mit künstlichen Geschmacksstoffen rum. Das zweite Hauptprodukt, Tierfett, wird zur Hälfte verfüttert und zur anderen Hälfte an die chemische Industrie verkauft; die macht daraus zum Beispiel Seife und Schmieröle.

Eine vollständige Verwertung — alles wunderbar? Wenn da nicht als Konkurrenz die Sojaschrot-Industrie wäre! Sojabohnen haben einen ähnlich hohen Proteingehalt wie Tiermehl, sind aber billiger. Derzeit kostet eine Tonne Sojaschrot 37 Mark. Die Tierkörperverwerter müßten eigentlich 60 Mark pro Tonne verlangen, um ihre Kosten zu decken. Die Differenz müssen eben Landkreise und Städte zahlen, denn die hygienische Beseitigung der Tierkörper ist eine öffentliche Aufgabe.

Auch die verschärfte Umweltgesetzgebung macht den Tierkörperverwertern zu schaffen: Abwassergrenzwerte müssen eingehalten werden. Zum Beispiel sollte kein zersetztes Eiweiß oder verdorbenes Blut freigesetzt werden. Sonst kippen die betriebsei

genen Kläranlagen der Tierkörperverwertungsanstalten um. Wenn nur die Schlachthöfe mitspielten! Die nämlich kühlen die Fleischabfälle nicht ausreichend nach der Schlachtung.

Überhaupt diese gedankenlosen Schlachthöfe: Eigentlich sollten sie nur leere Mägen und Därme weitergeben — Tiermehl darf nämlich nach dem Futtermittelrecht keine Magen-und Darminhalte enthalten. Doch die Schlachtereien, so schimpft der Tiermehlverband, schaffen sich einfach keine „Kutteleien“ (Quetschmaschinen) an.

Dabei wäre der Darminhalt ein prima Düngemittel — viel besser als Gülle. Alternative: Die Tiere 24 Stunden vor der Schlachtung nicht mehr füttern. „Aber das tun die Landwirte wieder nicht, weil die nach dem Gewicht der Tiere bezahlt werden“, weiß Niemann.

Umzingelt von Feinden — so stellt sich die Fleischmehlindustrie in ihrer Verbandszeitung dar. Manchmal würden die Tierkörperverwerter am liebsten in den Streik treten, damit endlich alle sehen, wie sehr sie „Nutznießer dieses perfekten Recyclings sind“. Die Verbrennung von Schlachtabfällen käme nämlich viel teurer: pro Tonne mindestens einen Tausender. Christine Holch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen