Die neue P-Klasse: Der Eurocop

Der Aufbau einer gemeinsamen EG-Polizeibehörde namens Europol ist in vollem Gang. Ein neues Informationssystem hat elektronischen Fahndungsverbund zum Ziel  ■ Von Heiner Busch

Ein einiges Europa, das heißt für europäische Sicherheitspolitiker auch eine gemeinsame EG-Polizei. Seit dem 1. September 1992 bereitet in Straßburg eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz eines Vertreters des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA) den Aufbau einer gemeinsamen Polizeibehörde der EG-Staaten vor. Auf den endgültigen Standort dieser Europol genannten Behörde konnten sich die zwölf europäischen Staats- und Regierungschefs im Juni auf ihrem Treffen in Kopenhagen noch nicht einigen. Doch bereits seit dem Maastrichter EG-Gipfel vom Dezember 1991 ist klar, daß es diese Behörde geben wird.

Damit geht ein besonders von bundesdeutschen Kriminalbeamten und Sicherheitspolitikern seit den 70er Jahren gehegter Wunsch in Erfüllung. Bereits 1973 forderte der damalige Vorsitzende der bundesdeutschen Innenministerkonferenz ein europäisches Kriminalamt. Innerhalb der Polizei war es vor allem der Bund Deutscher Kriminalbeamter, der sich seit 1974 für eine europäische Kripo-Zentrale mit Exekutivbefugnissen in den Mitgliedsstaaten einsetzte.

Lange Zeit war Interpol die einzige länderübergreifende Organisation für polizeiliche Zusammenarbeit. In den 70er Jahren geriet sie mehr und mehr in die Schußlinie der Kritik. Die europäischen Polizisten drangen auf neue Formen der internationalen Kooperation: auf eine Einbeziehung politischer Straftaten in den Nachrichtenaustausch, auf mehr Technik, auf einen verbreiterten und „unkonventionelleren“ Datenaustausch jenseits der formellen Rechtshilfe und vor allem auf eine stärkere Konzentration der Polizei-Zusammenarbeit im europäischen Rahmen.

1981 beschloß die Generalversammlung von Interpol die Einrichtung eines Europäischen Regionalsekretariats und eines Technischen Komitees für Europa, das BKA-Beamten noch 1987 als mögliche „Keimzelle von Europol“ erschien. Die wesentlichen Initiativen zur Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit kamen aber im EG-Rahmen zustande. Bereits 1976 entstand TREVI als Rahmen für polizeiliche Zusammenarbeit im Bereich der internationalen Kriminalität und der Terrorismusbekämpfung. TREVI steht für die Anfangsbuchstaben der französischen Wörter „Terrorisme, Radicalisme, Extremisme et Violence international“. Hier kooperieren die EG-Staaten auf drei Ebenen: der Justiz- beziehungsweise Innenministerebene, die politische Beschlüsse absegnet, der Ebene der Hohen Beamten, die diese Beschlüsse politisch vorbereitet, und der Ebene der polizeilichen Arbeitsgruppen.

Die Perspektive einer Aufhebung der Binnengrenzkontrollen gab der polizeilichen Zusammenarbeit und vor allem deren vertragliche Fixierung einen starken Auftrieb. Das Schengener Abkommen, das die Abschaffung der Grenzkontrollen zwischen den neun beteiligten EG-Staaten vorsieht, eröffnet neue Spielräume. So hat das im Aufbau befindliche Schengener Informationssystem einen elektronischen Fahndungsverbund zum Ziel. Auch im Rahmen der gesamten EG ist ein gemeinsames Fahndungssystem geplant, das voraussichtlich eine Erweiterung des Schengener Systems sein wird.

Auch der Aufbau einer gemeinsamen Polizeieinheit ist inzwischen beschlossen worden. Schon die britische TREVI-Präsidentschaft regte 1986 an, daß alle beteiligten Staaten kriminalpolizeiliche Informationszentralen für die Drogenbekämpfung schaffen sollten. Die aufgrund dieses Vorschlags entstandene EG-weite Drugs Intelligence Unit (EDIU) soll nun den Kern für Europol abgeben. Der EG-Gipfel von Luxemburg gab dafür im Juni 1991 grünes Licht. Der Maastrichter Gipfel segnete dann eine Vorlage der Innenminister für Europol ab und erklärte die Zusammenarbeit in Fragen der inneren Sicherheit zum Gegenstand des gemeinsamen Interesses. Die TREVI-Zusammenarbeit wurde damit in den Rang der offiziellen EG-Politik gehoben. Durchschaubarer und kontrollierbarer wird sie damit auch nicht. Die Vertreter der Exekutive und der Polizeien werden beim Aufbau von Europol kaum gestört werden.

Da Europol nicht in einem Stück aufgebaut werden kann, wird als Interimslösung eine Europol Drugs Unit (EDUZ) – nichts anderes als die vorbezeichnete EDIU – angepeilt. Um Datenschutzprobleme zu umgehen, werden die jeweiligen nationalen Verbindungsbeamten bei Europol vorerst nur Zugang zu ihren heimischen Datensystemen haben. Der französische Europoler wird dem deutschen nicht direkt ins Terminal schauen, seine gewünschten Informationen wird er aber – unter Beachtung der nationalen Datenschutzregeln – aus dem Mund oder der Hand seines Kollegen doch erhalten. Stück für Stück soll die Interimslösung dann ausgebaut werden.

Vorerst gibt es nur einen Aufbaustab von zwölf Beamten unter Führung des BKA-Vertreters Storbeck mit Sitz in Straßburg. Und zunächst wird der Schwerpunkt der polizeilichen Kooperation vor allem zwischen den Nationalen Zentralstellen der Kripo und des Staatsschutzes liegen. Mit der Entsendung von Verbindungsbeamten, mit verdeckten Praktiken der grenzüberschreitenden Observation und informellen Datenaustausch per Telefon und Fax findet diese Kooperation bereits heute im rechtlichen und datenschützerischen Dunkelfeld statt, auch wenn sie per Abkommen rechtlich abgesegnet wird.

Die Verpflichtung, zur Teilnahme am Schengener Abkommen sowie an Europol Datenschutzgesetze zu erlassen, ist mit Blick auf die technischen und professionellen Standards der Polizei in Europa nicht mehr als eine bunte Fassade. Taugte der Datenschutz national schon kaum zu einer Kontrolle, so wird er auf europäischem Niveau kaum effektiver werden.

Der Autor ist Redakteur der in Berlin erscheinenden Zeitschrift Bürgerrechte der Polizei (CILIP)