■ Das Portrait: Nelson Mandela
Er hatte sich eine Feier im Familienkreis gewünscht. Aber der von ihm geleitete „African National Congress“ (ANC) hat für heute eine rauschende Geburtstagsfete vorbereitet. Zwischen 700 und 1.000 Gäste zahlen für den Eintritt je 250 Mark – selbst der 75. Geburtstag des großen alten Mannes Südafrikas mußte als Fundraiser herhalten, um dem ANC dringend benötigte Wahlkampfmittel zu verschaffen.
Mandelas Austrahlung und Einfluß ist zu verdanken, daß der ANC während des letzten Jahres nicht auseinanderbrach – und daß Südafrika im Herbst 1992 nicht in eine totale Konfrontation schlitterte. Einige ANC-Kreise wollten damals versuchen, die Regierung von Staatspräsident Frederik W. de Klerk per Demonstrationen und Streiks aus dem Amt zu hebeln. Das Regime antwortete mit dem Massaker von Bisho, bei dem 27 Menschen starben und 200 verletzt wurden. Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, zog Mandela umgehend die Konsequenzen: Er akzeptierte im wesentlichen das Übergangsrezept zur Demokratie, daß de Klerk seit Februar 1990 immer wieder präsentierte.
Dabei gehörte er einst selbst zu den Radikalen. Gemeinsam mit Walter Sisulu und Oliver Tambo gründete er in den 50er Jahren die ANC-Jugendliga und initiierte die berühmt gewordene Ungehorsamkeitskampagne – und erklärte sich nach langem Zögern mit dem bewaffneten Kampf gegen das Apartheid-Regime einverstanden. Pretoria schlug gnadenlos zurück. Mandela und seine Gefährten wurden zu lebenslanger Haft verurteilt.
Glückwunsch zum 75sten am Sonntag! Foto: Jürgen Eis
Mehr als ein Drittel seines Lebens – 27 Jahre – verbrachte er hinter den Gittern des Apartheid-Staates, einen großen Teil davon im berüchtigten Gefängnis von Robben Island. Das Verhältnis zu seiner zweiten Ehefrau Winnie überlebte die Freilassung im Februar 1990 nicht. Auch der politische Alltag hinterließ tiefe Spuren. Zwar wagt niemand, Mandela den Posten des ANC-Präsidenten streitig zu machen. Doch seine Autorität wird nicht mehr unwidersprochen hingenommen. Als er vor einigen Wochen in der Provinz Natal zwischen seinen Anhängern und der rivalisierenden Inkatha-Bewegung schlichten wollte, gab Mandela frustiert auf. „Wir wollen keinen Frieden“, sagten ihm einige Funktionäre ins Gesicht. Willi Germund
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