■ Bonn-apart: 267 Gesetze – doch eines fehlt
Bonn (taz) – Wir müssen heutzutage alle Opfer bringen, einverstanden. Wie tröstlich, daß immerhin eines der zahlreichen weiblichen Sonderopfer bald der Vergangenheit angehört. Das „Namensopfer“ nämlich, da waren die Experten einig, ist als Voraussetzung für die Ehe nicht mehr zeitgemäß.
Mit Beginn der diesjährigen Sommerpause weist die Bundestagsbilanz für diese Legislaturperiode stolze 267 verabschiedete Gesetze aus (es empfiehlt sich, über diese Zahl nicht weiter nachzudenken). Doch eines fehlt. Seit über zwei Jahren wird auf bundesdeutschen Standesämtern nach Übergangsrecht geheiratet, weil Liberale und Konservative beim Namensrecht nur schwer zu Kompromissen finden konnten. So rief denn der Rechtsausschuß im tiefsten Sommer zur Anhörung über die nunmehr vorliegenden Entwürfe. Es ging um Menschenwürde, Namenskontinuität, Losentscheid und Doppelnamen, kurzum: einmal mehr zeigte sich an der Debatte über das Familien- und Ehenamensrecht, daß es vom Erhabenen bis zum Lächerlichen gelegentlich nicht weit ist.
Doch liegen hier auch gesellschaftlicher Rück- und Fortschritt so nah beieinander, daß eine ordentliche Unterscheidung manchmal schwer fällt. Der Grad gesellschaftlicher Emanzipation soll exakt an der Stellung des weiblichen Geschlechts ablesbar sein, sagt ein alter Lehrsatz, der wohl immer noch stimmt. In diesem Sinn gehört zweifellos der Doppelname zur freiheitlichen Hinterlassenschaft der sozialliberalen Ära. Der Union war er immer ein Ärgernis. Für ihre Rechtsexperten, die sich nur zähneknirschend der höchstrichterlichen Anweisung aus Karlsruhe gefügt haben, daß jede Benachteiligung der Frau aus dem Namensrecht zu verschwinden habe, war die Zurückdrängung des Doppelnamens ein Herzensanliegen.
So blieb der Leiter des Tübinger Standesamtes zur Freude der Union bei der Anhörung isoliert, als er meinte, der Wunsch nach einem Doppelnamen sei in der Praxis alltäglich. Der Doppelname wird mit dieser Reform verschwinden. Doch alles deutet darauf hin, daß dieser Rückschritt mit Fortschritt erkauft wird. Die Konservativen haben den Grundsatz des gemeinsamen Familiennamens im neuen Recht durchgesetzt. Doch wie verhalten sich die BürgerInnen zum Grundsatz, wenn er kein Zwang mehr ist? Ziemlich emanzipiert: 40 Prozent aller Paare, so war aus der standesamtlichen Praxis zu hören, behalten mitlerweile bei der Eheschließung ihren Namen. Tendenz: steigend. Tissy Bruns
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