Der lange Weg zur politischen Reform

■ Japans System ist den neuen Herausforderungen nicht mehr gewachsen

„Seiji-kaikaku“, zu deutsch: „politische Reform“, heißt nicht nur das Motto unter dem Comic- Held Ryusuke Kaji ins Parlament einzieht. Das Wort bekommen die Japaner derzeit aus jedem Wahlkampfmegaphon und in jeder Fernsehsendung dutzendmal zu hören. Politische Reform ist in, und alle Parteien sind dafür. Nur wenn es darum geht, was eigentlich mit dem Begriff gemeint ist, geraten die Antworten vieldeutig und die Versprechen vage. Nicht einmal die Comic-Lektüre hilft weiter: der angekündigte Band Fünf über die politische Reform ist noch nicht erschienen.

Einigkeit herrscht in der Öffentlichkeit zumindest darüber, daß die Reform Japans Politik von der ihr immanenten Korruption befreien soll. Abgeordnete im Tokioter Parlament sind bisher weniger mit der Gesetzgebung und der Überwachung der Regierungspolitik beschäftigt als mit der Geldbeschaffung für ihren Wahlkreis. Denn erfolgreich ist meist nicht, wer originelle politische Ideen entwickelt, sondern wer seinem Bezirk von der Zentralregierung in Tokio die meisten Aufträge und Genehmigungen für den Bau von Brücken, Straßen und Schienen besorgt. So enstand das enge Geflecht zwischen der Regierungspartei (LDP), den Ministerialbürokraten und Unternehmern, im Ausland kurz Japan AG genannt.

Typisch dafür das Beispiel des inzwischen verhafteten ehemaligen „Paten“ der LDP, Shin Kanemaru. Kanemaru hatte sich in der Bau- und Telekommunikationsbranche das Vertrauen fast aller Großunternehmen erworben, für deren Auftragerteilung er sich unersetzbar machte. Erst als die Staatsanwaltschaft Kanemarus illegale Spendengelder in Form von Goldbarren und Bankanleihen in seinen Büroschränken entdeckte, bekam die Reformdebatte in Japan ernsthafte Züge.

Das Kernstück der Reformen, die im Juni am Widerstand der LDP-Senioren scheiterten und damit die Neuwahlen provozierten, ist eine Reform des Wahlgesetzes. Eine neue Wahlkreisaufteilung sollte allen Stimmen etwa gleiches Gewicht verleihen. Nach dem bisherigen, auch bei dieser Wahl noch gültigen Gesetz fielen auf einen Abgeordneten aus dem Stadtbezirk Kanagawa bei Tokio 336.859 Stimmen, in der konservativ denkenden Reisprovinz Miyazaki auf der südlichen Insel Kyushu brauchte ein Abgeordneter nur 105.939 Stimmen zur Wahl.

Gleichzeitig sollte die Reform pro Partei und Wahlkreis nur noch einen Kandidaten erlauben. Wichtiges Ziel dieses Reformschritts: Den Wahlkampf billiger zu machen und so die Anfälligkeit der Politiker für Korruption zu verringern. Georg Blume