■ Galilei langweilt sich
: Wir uns auch!

Und sie bewegt sich doch nicht! Die Inquisitoren hätten im theologisch-naturwissenschaftlichen Machtkampf mit Galilei dieser Tage in Berlin leichtes Spiel; der Nachweis, daß die Erde ruht, wäre in der Hauptstadt problemlos erbracht. Nichts ist los, aber auch gar nichts. Vom Brandenburger Tor glotzen vier Pferde gelangweilt auf den händlerlosen Platz, Karl und Friedrich blicken hinter dem Asbestpalast der leergefegten Republik noch verklärter zum verlassenen Alex, und der Kapitän des Touristenkahns hat den Fahrgast auf die Brücke eingeladen, um die Zeit gemeinsam totzuschlagen.

Das Mogel-Stadtschloß wäre besser auf Mallorca oder Rügen zusammengenäht worden, denn dort sind die Berliner. Am Reiseziel Galileis sind sie rar: Weder auf den angeblichen Flaniermeilen ist Leben, noch in den um zehn Uhr schließenden Biergärten oder an den Seen, an denen sich die Menschen vor einem Jahr noch mit der lähmenden Hitze zu arrangieren suchten. Galilei wäre sicher, per Zeitmaschine in die Ära vor der Maueröffnung gereist zu sein, als Westberlin noch bar jeder Hektik war, als unter den Tiergarten noch Baumwurzeln statt Straßentunnel gehörten, als sich die Bundesregierung in Bonn noch sicher wähnte.

Nun aber soll sie umziehen. Zu ihrer Belustigung versucht Berlin gar, die Olympiade auszurichten, wenngleich die Planungen nicht einmal Chancen im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ hätten. An der Spree ist's ebenso verschlafen wie am Rhein, die Bonner brauchen also wirklich keine Angst zu haben. Nur der Zeitreisende aus Pisa langweilt sich furchtbar. Christian Arns