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■ Das PortraitMarc-Kevin Goellner

An den „jungen Boris Becker“ fühlt sich Claus Stauder, der Präsident des Deutschen Tennis-Bundes (DTB), vom Davis-Cup-Debütanten Marc-Kevin Goellner erinnert. Das ist einerseits ein wenig abwegig, denn der junge Boris war 17, und Goellner ist 22, andererseits aber auch nicht, denn der Diplomatensohn mit dem knallharten Aufschlag benimmt sich gern, als wäre er noch 17. Die Baseballkappe mit dem Schirm nach hinten aufs Haupt gedrückt, die Körpersprache von MTV-Clips abgeguckt, verkauft sich der Tennis-Aufsteiger des Jahres als die definitive Antwort auf den grüblerisch-verquasten Boris Becker und den unvermarktbaren Michael Stich. Er versprüht juvenilen Charme, ist immer tierisch gut drauf, stets für einen kessen Spruch zu haben – ein Sonnyboy für alle Fälle, der mit seiner schlagfertigen, natürlich wirkenden Art überall Sympathie hervorruft.

Doch die Wirkung des neuen Tennis-Sterns, der sich in diesem Jahr mit Siegen gegen Ivan Lendl, Stefan Edberg und Michael Chang bis auf Platz 34 der Weltrangliste katapultierte, ist genau kalkuliert. Von seinem Management wird eifrig am Image gefeilt, das Bild des offenen, ewig lächelnden Leitbildes für die durchamerikanisierte Jugend in Basketballstiefeln und Baseballkappe, mit dem Schirm nach hinten natürlich, soll durch keinen Schatten getrübt werden. Fragen zu Themen, die nichts mit Tennis zu tun haben, werden nicht beantwortet, Privatleben, Philosophie und Politik sind tabu – eine Regelung, wie sie im Falle Stich vermutlich weit angebrachter wäre.

Foto: Bongarts

Nur auf dem Platz darf Goellner gelegentlich die Sau rauslassen, wie im gewonnenen Davis-Cup-Match gegen den Tschechen Petr Korda, mit dem er im westfälischen Halle den Grundstein für den deutschen Viertelfinalsieg legte. Da schlüpfte er nahtlos in die Rolle des coolen Ghetto-Kids, ballte nach spektakulären Punktgewinnen rüde die Faust in Richtung seines Kontrahenten und gerierte sich als eine Art Ice-T mit Ladehemmung.

Nach seinem Sieg war der in Rio geborene Goellner dann aber gleich wieder die Liebenswürdigkeit in Person und zeigte, daß er nicht nur in fünf Sprachen, sondern auch mit zwei Zungen parlieren kann. Nur für sich, aus lauter Freude habe er die Faust geballt, behauptete er dreist und grinste dabei so verschmitzt, daß man es ihm fast geglaubt hätte. Matti Lieske

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