Alte Rivalität im Kampf um die „kranken“ Seelen

■ Vormachtstellung von ÄrztInnen gegenüber PsychologInnen wird festgeschrieben

Mit der Diskussion um das Psychotherapeutengesetz ist auch die alte Rivalität zwischen ÄrztInnen und PsychologInnen wieder aufgebrochen. Beim Konkurrenzkampf um die „kranken“ Seelen geht es nicht nur darum, ob ÄrztInnen oder PsychologInnen die besseren Seelenheiler sind, sondern auch um Macht und Geld. Bislang arbeiteten nicht-ärztliche PsychotherapeutInnen unter der Oberaufsicht der Ärzteschaft, weil der Beruf des Psychotherapeuten nicht gesetzlich anerkannt war. Mit dem Psychotherapeutengesetz würde ein gleichberechtigtes Zusammenarbeiten von ÄrztInnen und PsychologInnen möglich. Doch anstatt das vorhandene Abhängigkeitsverhältnis zu beseitigen, schwächt der Referentenentwurf es nur ab. Zwar entfällt das bisherige Delegationsverfahren, wonach ÄrztInnen die Indikation erstellen und die PatientInnen an nicht-ärztliche TherapeutInnen überweisen. Aber auch künftig soll ein Arzt die Indikation des Therapeuten bestätigen. Der Berufsverband Deutscher Pychologen (BDP) hält dies für unnötig.

Besorgt sind die PsychologInnen auch wegen der Übergangsregelungen. Im Referentenentwurf war zunächst vorgesehen, daß nur diejenigen, die bislang im Delegationsverfahren arbeiteten, als Psychologische Psychotherapeuten anerkannt werden. Alle anderen müßten innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes die nun vorgeschriebene Ausbildung oder zumindest Teile davon nachholen. Davon wären die rund 4.000 PsychologInnen betroffen, die bisher eigenständig nach dem Prinzip der Kostenerstattung arbeiten. Das bedeutet, daß die Krankenkassen in Einzelfällen die Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung übernehmen.

„Viele Kollegen sind massiv verunsichert“, so der Psychologe Thomas Kornbichler. KollegInnen, die seit Jahrzehnten den Beruf ausübten, könne nicht zugemutet werden, eine dreijährige Ausbildung nachzuholen, heißt es auch beim BDP. Zwar hat das Gesundheitsministerium mittlerweile in Aussicht gestellt, daß bei der Anerkennung die Qualifikation zählt und nicht, ob ein Therapeut bislang schon im Delegationsverfahren gearbeitet habe. Dennoch sind Kornbichlers Bedenken, daß das Gesetz Existenzen bedroht, nicht ausgeräumt.

Den PsychologInnen paßt auch nicht, daß die Entscheidung über die behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Behandlung geeigneten Verfahren sowie Art und Umfang der Therapie in den Händen der Ärzte liegt. Zwar sollen die PsychologInnen jetzt an der Erarbeitung der Richtlinien im Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen „beteiligt“ werden. Unklar ist aber, ob gleichberechtigt mit Sitz und Stimme oder ob dies lediglich in Form einer Anhörung geschieht.

Die Differenzen zwischen den Berufsgruppen erstrecken sich auch auf die Behandlungsmethoden. Der Gesetzentwurf läßt diese Frage bewußt offen, als Psychotherapie gilt jede „wissenschaftlich begründete Methode“. Als solche erkennen die Ärztekammern aber nur die klassischen Therapieformen der Psychoanalyse, die tiefenpsychologisch orientierte und die Verhaltenstherapie an. Nur sie sind bisher von der kassenärztlichen Vereinigung zur Kassenabrechnung zugelassen. Ob noch andere Methoden wie die der humanistischen Psychologie über Kassen abgerechnet werden können, hängt von den noch zu erstellenden Richtlinien ab. Auch für die PatientInnen hat das Folgen: Wenn künftig die Kostenerstattung im Einzelfall abgeschafft wird, wird es damit auch schwieriger, andere als die klassischen Therapieformen von der Kasse bezahlt zu bekommen.

Auch in der mindestens dreijährigen Ausbildung liegt der Schwerpunkt auf den „wissenschaftlich begründeten Methoden“, also den klassischen Therapieformen. „Im übrigen soll Spielraum gelten“, heißt es im Referentenentwurf. DiplompsychologInnen befürchten dennoch, daß innovative Therapieansätze auf diese Weise ausgegrenzt werden sollen. „Das Beschneiden der Psychotherapie um ihre gesellschafts- und kulturkritische Dimension führt zu einer Medizinalisierung der Psychoanalyse“, urteilt Psychologe Kornbichler. Dies sei eine Frage der Wertorientierung der Gesellschaft.

Unzufrieden sind die PsychotherapeutInnen auch mit der Budgetierung, die Seehofer ihnen verordnen will. Wie schon bei der Gesundheitsreform sollen die Kosten dadurch in Schach gehalten werden, daß eine Obergrenze für die Gesamtkosten psychotherapeutischer Leistungen durch die Krankenkassen eingeführt wird. Noch steht das Budget nicht fest. Im Gespräch ist, daß die Ausgaben für Psychotherapie nur zwei Prozent der von den Kassen an die kassenärztliche Vereinigung zu zahlenden Gesamtvergütung betragen dürfen. Wird diese Obergrenze überschritten, sinken die Stundenlöhne der TherapeutInnen – damit das Budget eingehalten werden kann. Nach Ansicht der DGPT sind die Praxen aber schon jetzt „an der Grenze ihrer wirtschaftlichen Existenzmöglichkeit angelangt“. Wenn man vom Kassenhonorar von durchschnittlich 106 Mark pro Stunde die Miete und weitere Unkosten abziehe, komme man auf ein Stundenhonorar von 62,44 Mark – vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben.

Ausschlaggebend für die Einführung einer Budgetierung war im Gesundheitsministerium die Erwartung, daß die Zahl der nicht- ärztlichen Psychotherapeuten steigt. Vor allem dadurch entstünden Mehrkosten, heißt es im Referentenentwurf. Aber auch die Zahl der ärztlichen PsychotherapeutInnen dürfte in Zukunft zunehmen. Die Zulassungsbeschränkungen, die mit der Gesundheitsreform in Kraft getreten sind, dürften dazu führen, daß der medizinische Nachwuchs künftig verstärkt in die Psychotherapie ausweicht.