Quotierung in roten Roben

Berliner Justizsenatorin Limbach will Mindestanteil der Frauen an den Senaten des Bundesverfassungsgerichts gesetzlich festschreiben / Senat will im Herbst Bundesratsinitiative ergreifen  ■ Von Dieter Rulff

Auch bei den Hütern des Grundgesetzes sollen nun dessen Regelungen durchgesetzt werden. Die Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) will die bislang schleppende Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Besetzung der Richterposten gesetzlich forcieren. Sie will das Bundesverfassungsgerichtsgesetz um einen Quoten-Passus erweitern: Danach müssen „Frauen und Männer jeweils mindestens drei der Richter jedes Senats stellen; dieses Ziel muß spätestens am 31. Dezember 1998 erreicht sein“. In den Jahren 1995 und 1998 werden aufgrund des Ablaufs der 12-jährigen Amtszeit oder wegen des Erreichens der Altersgrenze im Ersten Senat vier Richter und im Zweiten Senat drei Richter und eine Richterin ausscheiden. Nach Limbachs Ansicht besteht folglich „hinreichend Gelegenheit, das gesteckte Ziel zu ereichen“. Zudem wird durch diese hohe Zahl der Neubesetzungen die freie Wahlmöglichkeit des Bundestages und des Bundesrates gewährleistet. Die gesetzliche Festschreibung einer Drittelquote ist bereits Grundlage des Berliner Landesverfassungsgerichts, das 1992 erstmals gewählt wurde. Der Berliner Senat will im Herbst im Bundesrat die Initiative zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes ergreifen. Gegenüber der taz erläutert Limbach, mit welchen Widerständen sie bei ihrer Initiative rechnet und welche Veränderungen sie sich von der Quotenregelung erhofft.

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taz: Frau Limbach, was hat Sie bewogen, jetzt die Initiative zur Veränderung des Geschlechterverhältnisses am Bundesverfassungsgericht zu ergreifen?

Limbach: Das lag schon lange in der Luft. Doch gerade nach dem Spruch des Verfassungsgerichts zum Paragraph 218 ist deutlich geworden, daß mehr Frauen in das Bundesverfassungsgericht gehören. Auch die jüngsten Schwierigkeiten, überhaupt eine weitere Frau in das Bundesverfassungsgericht zu bekommen, haben mich veranlaßt, ganz deutlich zu machen, daß es eine Konsequenz aus dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes ist, daß dort Frauen adäquat vertreten sind.

Ist mit dem höheren Frauenanteil auch eine andere Urteilspraxis des Bundesverfassungsgerichts intendiert?

Ja. Es gibt Bereiche, in denen die Erfahrungen und Kompetenzen der Frauen größer sind als die der Männer, zum Beispiel im sozialen Sektor. Das schlägt sich auch in der Urteilspraxis nieder. Die im dortigen Senat sehr vereinzelte Frau wäre möglicherweise in ureigener Erfahrung des weiblichen Geschlechts bestätigt worden, wenn mehrere dagewesen wären.

...Bei der Auseinandersetzung um den 218. Aber hätten wir auch mit einer anderen Spruchpraxis zu, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, UN-Einsätzen zu rechnen?

Warum sollte nicht auch da eine Frau einen anderen Blickwinkel haben. Es fällt bei dieser Diskussion doch auf, daß sich sehr wenig Frauen überhaupt daran beteiligen und sehr wenig gehört werden. Ich gehe davon aus, daß Frauen zum Leben und zum Schicksal von Soldaten ein anderes Verhältnis haben. Obgleich ich zugebe, daß auch Frauen sich angesichts der Gewalttätigkeit in Jugoslawien für einen kriegerischen Einsatz aussprechen. Meines Erachtens hätte man auch andere Handlungsmöglichkeiten gehabt, zum Beispiel einen konsequenten Boykott.

Warum sollen sich die Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates per Gesetz zu einem Wahlverhalten zwingen, daß sie doch auch ohne diese rechtliche Selbstverpflichtung praktizieren könnten?

Ein Gesetz ist eine Herausforderung eigener Art, um die man sich nicht drücken kann. Ich habe ja nicht nur einen Vorschlag gemacht, die freiwerdenden Stellen mit drei Frauen zu besetzen, sondern auch den Endzeitpunkt 1998 benannt, bis zu dem das erreicht werden soll. Damit wollen wir den permanenten Vertröstungen und der Fülle von Ausflüchten entgehen, mit denen uns die Männer immer dann kommen, wenn es um konkrete Entscheidungen geht. Dieser Fluchtweg ist ihnen durch ein solches Gesetz verstellt. Es ist nun mal die eindeutigste Form eine politische Forderung zu verankern.

Wenn Bundestag und Bundesrat bislang so versagt haben und wenn deshalb, wie sie selbst beklagen, den Entscheidungen des Verfassungsgerichts vielfach an der wünschenswerten Akzeptanz fehlt, wäre es da nicht konsequenter, die Wahl der Richter für gesellschaftliche Gruppen zu öffnen?

Das würde das Geschäft nicht wesentlich erleichtern. Denn das sogenannte Ausgewogenheitskarussell würde nur noch größer werden als es gegenwärtig bereits der Fall ist. Die Interessen der gesellschaftlichen Gruppen könnten jedoch zum tragen kommen, wenn man Kandidaten vorschlagen und öffentliche Anhörungen durchführen würde, so wie es bereits in den USA praktiziert wird. Eine solche Transparenz des Ernennungsverfahrens würde ich für wünschenswert halten. Ich habe wenig Verständnis für die Indignation gehabt, mit der hierzulande bei der Debatte um die Nachfolge für den Vizepräsidenten Mahrenholz auf Namensvorschläge reagiert wurde. Man tut so, als würde ein Kandidat an der für das Amt erwünschten Weihe verlieren, wenn man das Für und Wider seiner Wahl in der Öffentlichkeit erörtert.

Fürchten Sie nicht die Klage von Abgeordneten, die durch Ihre Initiative ihr Recht auf freie Richterwahl unzulässig eingeschränkt sehen?

Natürlich rechne ich mit Widerspruch. Aber auch Konservative können einem Gesetz schwerlich den Zuspruch verweigern, das sie hier in Berlin auf Landesebene bereits für gut befunden haben. Und was wollen sie ernsthaft gegen den Wunsch vorbringen, daß die eine Hälfte unserer Gesellschaft in diesem Gericht auch vertreten sein will?

Während Konservative der beabsichtigten Quotierung eine Absage erteilen werden, wird sie einer Reihe von Frauen nicht weit genug gehen. Warum ist für Sie, wie Sie in ihrer Bundesratsinitiative schreiben, „eine angemessene Beteiligung von Frauen und Männern an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes“ bereits dann gewährleistet, wenn lediglich drei von acht Richterposten mit Frauen besetzt sind?

Zum ersten sind – relativ betrachtet – drei gegenüber einer Richterin schon ein enormer Fortschritt. Zum anderen ist nur eine Mindestzahl festgesetzt, es können gern mehr als drei sein. Zum dritten muß den Wahlgremien – auch aus verfassungsrechtlichen Gründen – eine gewisse Flexibilität verbleiben, weil es noch andere Eigenschaften als das Geschlecht zu berücksichtigen gilt.

Ist dieses Minimum eine vorläufige Forderung, der nach ihrer Erfüllung im Jahre 1998 die volle Quotierung als nächste Etappe folgen soll?

Ich hoffe, daß das gar nicht nötig sein wird. Ich erwarte von dieser Regelung solch eine politische Schubkraft, daß künftig von vorne herein dafür gesorgt wird, daß Frauen nachfolgen. Außerdem gestattet das Gesetz durchaus, daß mehr als die Hälfte der Posten mit Frauen besetzt werden, und dann wäre dieses Gesetz ein Minderheitenschutz für Männer.