Rückzugsgefechte bei Sarajevo

■ Bosnische Serben erobern wichtige Stellungen / Zentralbosnien: Armee rückt gegen Kroaten vor / USA: Gelder für Hilfsleistungen fast aufgebraucht

Sarajevo/Belgrad/Brüssel (AFP/taz) – Die bosnische Armee hat gestern ihre Rückzugsgefechte gegen die serbischen Angreifer im Süden Sarajevos fortgesetzt. Nach einem Bericht der Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug war es den bosnisch-serbischen Truppen am Montag abend gelungen, auf den strategisch wichtigen Igman- Bergen zahlreiche Stellungen zu erobern. Über die Berge führte bislang eine der wenigen Verbindungslinien zwischen Sarajevo und den von regierungstreuen Truppen kontrollierten Gebieten.

Auch die Kämpfe zwischen Kroaten und Bosniern wurden nach Angaben von Radio Sarajevo zwischen Bugojno und Gornji Vakuf in Zentralbosnien fortgesetzt. Nachdem die Armee Bosnien- Herzegowinas mehrere kroatisch kontrollierte Dörfer erobert hatten, konzentrierten sie ihre Angriffe darauf, die Verbindungsstraße nach Gornji Vakuf unter ihre Kontrolle zu bringen.

Die UN-Schutztruppen (UNPROFOR) legten unterdessen eine formelle Beschwerde bei den serbischen Einheiten ein, weil diese am Samstag gezielt das UNPROFOR-Hauptquartier im Westen Sarajevos beschossen hatten. Militär-Experten der UNPROFOR sagten, eine Analyse der Einschlagstellen habe ergeben, daß die Granaten von den Serben abgefeuert wurden. Wenngleich bei den Vorfällen niemand verletzt worden sei, habe es sich um außerordentlich gezielte Angriffe gehandelt.

Nach der Entdeckung eines von Pflegern und Ärzten verlassenen Behindertenheims in der Nähe von Fojnica beschloß das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) gestern, zwei Mitarbeiter dort zu lassen, bis das Pflegepersonal zurückkehrt. 230 geistig Behinderte, zumeist Kinder und Jugendliche, waren für drei Tage ohne Pflege und Aufsicht, nachdem bosnische Regierungstruppen die vorher von Soldaten der kroatischen Miliz gehaltene Stadt erobert hatten. Das Flüchtlingshilfswerk brachte fünf Lastwagen mit Medikamenten, Milchpulver und Babynahrung in das Heim.

Das US-Außenministerium wies unterdessen darauf hin, daß trotz Spendenzusagen europäischer Länder vom Freitag noch 271 Millionen Dollar (etwa 460 Millionen Mark) fehlten, um die humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina bis Ende dieses Jahres aufrechterhalten zu können. Außenamtssprecher Mike McCurry anerkannte den Einsatz europäischer Staaten, die am Freitag über 113 Millionen Dollar (über 190 Millionen Mark) zugesagt hatten. Gleichwohl erreiche die Hilfsbereitschaft inzwischen nicht mehr den Umfang wie noch zu Beginn des Krieges in Bosnien, sagte McCurry. Er führte den Rückgang von Hilfsleistungen auf Spendenmüdigkeit und die schlechte Wirtschaftslage zurück.

Serbische Frauen hinderten nach Angaben von Hilfsorganisationen bereits seit neun Tagen einen Hilfskonvoi daran, in die ostbosnische Stadt Goražde zu fahren, die weiterhin von serbischen Einheiten angegriffen wird.

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