Die geplagte Physis

■ Tennis-Federationcup in Frankfurt: Deutsches Teamschied in der ersten Runde gegen Australien aus / Graf verletzt

Berlin (taz/dpa) – Boris Becker ist, soweit man das beurteilen kann, pumperlgesund. Ein begrüßenswerter Zustand, der unter anderem dadurch zustandekam, daß der 25jährige den Turnierstreß während der Sandplatzsaison mit großer Sorgfalt minimierte und inzwischen gelernt hat, auch im weitern Verlauf des Jahres dafür zu sorgen, daß sein Körper genügend Ruhepausen zur Regeneration bekommt. Während sich die landsmännische Kollegenschaft kurz nach Wimbledon schon wieder im westfälischen Regen herumtrieb und nach Davis-Cup-Ehren strebte, briet der kluge Becker irgendwo in der Sonne. Die verbliebenen Kompagnons gewannen auch ohne ihn und das anfängliche Donnergrollen über die Abstinenz im nationalistischen Wettstreit verstummte vollends.

Der 24jährigen Steffi Graf fehlt hingegen noch eine gewisse Portion Beckerscher Weisheit. In Wimbledon hatte der deutsche Teamarzt Professor Hartmut Krahl einen Wirbelsturm der Entrüstung hervorgerufen, als er verkündet hatte, daß die Vorzeige- Vorhand beim Federationcup in Frankfurt wegen ihrer Fußverletzung wohl kaum spielen könne. Völlig verfrüht sei diese unschöne Diagnose, befand Teamchef Klaus Hofsäß, der ohne seine Gräfin die Chancen auf eine Titelverteidigung rapide schmelzen sah. Tatsächlich besserte sich der böse Fuß, Steffi Graf gewann Wimbledon und erklärte sich schließlich, statt ihrem strapazierten Körper eine ausgiebigere Pause zu gönnen, im Federationcup für einsatzfähig.

Da jedoch begann die Schulter zu schmerzen, und wieder mahnte Prof. Krahl zur Vorsicht. Eine Sehne sei eingeklemmt, die deutsche Nummer eins könne unmöglich in der ersten Runde gegen Australien antreten. Steffi Graf ließ sich jedoch nicht beirren, spielte doch und verlor „mit begrenzten Möglichkeiten“ gegen Nicole Provis 1:6, 6:1, 1:6. „Ich wollte einfach spielen“, nahm sie den Einsatz auf ihre Kappe, doch auch Trainer Hofsäß machte sich Vorwürfe. „Ich hätte sie nicht spielen lassen dürfen. Die Gesundheit geht vor“, erkannte er etwas spät.

Zwar hatte Anke Huber das erste Einzel gegen Elizabeth Smylie gewonnnen, doch das entscheidende Doppel verlor sie an der Seite von Barbara Rittner gegen Smylie und Rennae Stubbs mit 7:5, 1:6, 3:6. Damit ist das deutsche Team aus dem Rennen um den Titel ausgeschieden und mußte gestern (nach Redaktionsschluß) gegen Österreich in die Relegation – nicht nur ohne Graf, sondern auch ohne Huber, die von einer Rückenverletzung geplagt wird. Zum Einsatz kam dafür Sabine Hack. Diese hat gerade notdürftig eine Handverletzung auskuriert.

Das ist aber alles nichts gegen Steffi Graf, die nicht nur im Federationcup vom Pech verfolgt wird, wo ihr 1986 in Prag ein Sonnenschirm auf den Fuß fiel und sie schon 1991 wegen einer Schulterverletzung aus Nottingham abreisen mußte. Eine Bänderdehnung im April, eine Knochenhautreizung im Juni, häufige Erkältungen – die geplagte Physis schlägt zurück. „Es macht keinen Spaß, immer wieder Verletzungen auskurieren zu müssen“, sagt sie. Und Boris Becker brät in der Sonne. Matti

Relegation: Südkorea - Neuseeland 3:0; Kanada - Uruguay 3:0

Federationcup: Spanien - GB 3:0; USA - Schweiz 3:0; Japan - Kolumbien 3:0; Österreich - Dänemark 1:2; Niederlande - Kroatien 3:0; China - Peru 2:1; Belgien - Lettland 1:2