Paare, Passanten, Potpourri

■ „Nach der Liebe“ – eine französische Petitesse von Diane Kury

So hübsch es auch sein mag, das Plakatmotiv legt gleich die erste falsche Spur: Es geht nicht um die Zigarette danach. Ja, es geht nicht einmal um das, was der Titel des Films annonciert: den Zustand nach der Liebe, wenn sie Gewohnheit geworden ist. Die Liebe ist in Diane Kurys Film viel zu gegenwärtig, als daß die Regisseurin vom Danach erzählen könnte. Allzu listig wechselt sie die Maskierung, tritt mal als Leidenschaft auf, mal als Gelassenheit, als Eifersucht, als Verständnis, als Hysterie, als Resignation, als Verführung, als Sehnsucht, läßt den Figuren keine Chance, sich von ihr zu verabschieden. Die Liebe: ein weitläufiges, lichtes Gefängnis, aus welchem der Film nicht entfliehen mag.

Wie richtet man sich darin heutzutage erzählerisch ein, wie erzählt man von der Liebe? Am sichersten ist die Dreiecksbeziehung. Je mehr Figuren man diesem Reigen hinzufügt, desto wahrscheinlicher ist es, daß eine Komödie dabei herauskommt. Und wenn das Arrangement dann aus seinem prekären Gleichgewicht gerät, stehen die Chancen nicht schlecht, daß eine Tragikomödie draus wird. Die Geometrie der Gefühle amüsiert Diane Kury, die Verletzbarkeit ihrer Figuren freilich nicht. Also bleibt ihr keine andere Wahl, als mit heiterer Melancholie von ihnen zu erzählen. Lola (Isabelle Huppert), eine erfolgreiche Schriftstellerin Mitte Dreißig, steht zwischen zwei Männern. Mit David (Bernard Giraudou) lebt sie schon seit zwanzig Jahren zusammen, die Verliebtheit ist mittlerweile dem Vertrauen und der Kameradschaft gewichen. Daß David mit einer anderen Frau verheiratet und verantwortungsbewußter Vater zweier Kinder ist, hat ihrem Verhältnis keinen nennenswerten Schaden zugefügt. Tom (Hippolyte Girardot) ist erst seit einigen Monaten ihr Liebhaber, ein junger Rockmusiker, leidenschaftlich, sprunghaft, zärtlich. Auch er wird Frau und Kinder nicht verlassen.

Mit großzügiger Ironie rechnet Diane Kury diese doppelte Buchführung der Gefühle nach: die Lügen und Widersprüche, die vielfältigen Abhängigkeiten und kleinen Einsamkeiten, die heftigen Gefühlsausbrüche, die schon im verpuffen. Nie käme es ihr aber in den Sinn, deren Fallhöhe in Zweifel zu ziehen. Die Gelassenheit, mit der sie die Distanz zu ihren Figuren aufgibt, bringt sie oft in bedrohliche Nähe zu boulevardhafter Belanglosigkeit und ermöglicht es ihr – doppelte Buchführung der Inszenierung –, sich dieser sogleich wieder zu entwinden. Gerhard Midding

„Nach der Liebe“, Regie: Diane Kury. Kamera: Fabio Conversi. Mit Isabelle Huppert, Bernard Giraudou, Frankreich 1993, 104 Min.