■ Verwirrspiel um die Dividende des Kalten Krieges
: Vorrat für 40 Jahre

Amerikanische Konzerne tätigten drei Fünftel aller Exportkaufabschlüsse für Kriegsgerät im Jahre 1992. Rußland brachte es kaum auf ein Zehntel des amerikanischen Umsatzes und rangiert hinter Frankreich, Großbritannien auf Platz vier auf einer vom Congressional Research Service in Washington erstellten Liste. Hinter diesen Zahlen stehen der Schweiß unserer Politiker, viel Bestechung und absurde politische Verhältnisse in den wichtigsten Empfängerländern.

Premierminister, Kanzler, Präsidenten und sonstige Minister sind zumeist im Nebenberuf Verkaufsagenten der jeweiligen nationalen Rüstungsindustrien. Vielleicht ist diese Tätigkeit gelegentlich auch einträglich. Seit Ende des Kalten Krieges jedenfalls rückt diese Mission immer häufiger in den Mittelpunkt von Auslandsreisen. Ihr Einsatz für die krisengeschüttelte Rüstungsindustrie macht vor keiner Peinlichkeit halt. Britains Mayor versammelte noch in Saudi Arabien die internationale Presse um sich, vermeldete ein Riesengeschäft für British Aerospace und das Vereinigte Königreich. Der Aktienkurs des bald letzten britischen Industriekonzerns kletterte.

Bei den nun veröffentlichten Zahlen handelt es sich nicht um Lieferungen, sondern um Kaufverträge, die zwar häufig genug wieder annulliert werden, aber dennoch Unternehmensstrategien, Aktienkurse und Konzentrationsprozesse bestimmen. Was 1992 kriegstreibend wohin auch immer geliefert wurde, wissen wir noch nicht. Sicher aber ist, daß die kostensparende Entsorgung der Waffen- und Munitionsarsenale der NVA zur wahrscheinlichen Verwendung in Bürgerkriegen Deutschland einen vorderen Rang bei den Rüstungslieferungen 1992 bescheren wird.

Das Ende des Kalten Krieges rückt die vielen mit konventionellen Waffen geführten Kriege in den Mittelpunkt. Bei genauer Betrachtung stellt man fest, daß die Hochtechnologie, die den größten Teil der Exportumsätze ausmacht, in diesen blutigen Konflikten kaum zum Einsatz kommt: Infanteriegerät auf dem technologischen Niveau des Zweiten Weltkrieges.

Die Konfliktparteien können nicht länger den ideologischen Gegensatz Ost–West für ihre Waffenkäufe instrumentalisieren. Sie müssen die Mittel zum Waffenkauf aufbringen oder einen Kriegspatron finden, der die Rechnung unauffällig begleicht. Sodann stehen ihnen die Waffenbasare überall in der Welt offen. Die Menschheit hat einen Vorrat an Kleinwaffen, der für die Kriege in den nächsten 40 Jahren reicht.

Es bildet sich ein Netzwerk privat organisierter Vermarktung der Überschüsse, die Waffen wandern von einem Kriege zum anderen wie zum Beispiel vom Libanon nach Kroatien. Diesen Netzwerken auf die Spur zu kommen, ist eine unabdingbare Voraussetzung zur Einhegung der Kriege. Peter Lock

Friedensforscher und wissenschaftlicher Mitarbeiter

an der Freien Universität Berlin